Auch Nicht-Finanzunternehmen sind Risiko für Finanzsystem

22.10.2018

Wien (APA) – Nicht nur Banken, auch Unternehmen wie Autobauer oder Energieversorger tragen zum systemischen Risiko des Finanzsystems bei.

 

Das zeigen Komplexitätsforscher des Internationalen Instituts für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg und des Complexity Science Hub (CSH) Vienna in einer im Fachjournal “Entropy” veröffentlichten Arbeit. Sie sollten deshalb genauso reguliert werden, fordern sie.

 

Auf fundamentaler Ebene seien die Mechanismen, wie eine Finanzkrise zur Rezession führen kann und umgekehrt, bisher nicht verstanden, erklärte der Präsident des CSH Vienna, Stefan Thurner, in einer Aussendung. Umso wichtiger sei es, “die finanziellen Verbindungen zwischen der Finanz- und der Realwirtschaft zu klären und abzubilden”. Die nun veröffentlichte Arbeit beschäftigt sich deshalb nach Angaben der Forscher erstmals mit der systemischen Bedeutung von Unternehmen jenseits des Finanzwesens.

 

In ihrer Arbeit rekonstruierten und analysierten die Wissenschafter die finanziellen Verbindlichkeiten von 50.159 Firmen und Banken in Österreich. Den Forschern zufolge enthält die Analyse mehr als 80 Prozent der gesamten Verbindlichkeiten von Unternehmen gegenüber Banken und alle Interbankenverbindlichkeiten im österreichischen Bankensystem. Daraus rekonstruierten sie das Finanznetzwerk zwischen 796 Banken und 49.363 Unternehmen, was effektiv die österreichische Volkswirtschaft im Jahr 2008 abbilde. Laut Sebastian Poledna vom IIASA ist dies das umfassendste Finanznetzwerk, das jemals analysiert wurde.

 

Hoher “DebtRank” weist auf große Auswirkungen hin

 

Für die Identifizierung systemrelevanter Unternehmen setzten die Wissenschafter die bereits zuvor entwickelte Methode “DebtRank” ein. Dabei erhält jede Firma einen Wert – abhängig von jenem wirtschaftlichen Anteil, der bei einer Krise des jeweiligen Unternehmens betroffen ist. In der Regel sind dabei große Banken mit hohen Bilanzsummen die ranghöchsten Firmen in diesem Ranking, das ist auch in Österreich so. Aber bereits das achthöchste systemrelevante Unternehmen kommt aus der Realwirtschaft. Es hat einen “DebtRank” von 0,39 – bei einem Zahlungsausfall wären bis zu 39 Prozent der österreichischen Wirtschaft betroffen.

 

Der Analyse zufolge kamen systemrelevante Unternehmen aus verschiedenen Branchen und waren nicht alle groß. Die Forscher identifizierten eine Reihe mittelständischer Unternehmen mit einem Kapital von weniger als 1 Mrd. Euro, die für die österreichische Wirtschaft systemrelevant sind. Die Wissenschafter kommen zu dem Ergebnis, dass 55 Prozent des Systemrisikos in Österreich von Nicht-Finanzunternehmen stammen.

 

Grundlage für neuen Ansatz bei Banken-Stresstests

 

Die Forscher sehen ihre Methode breit anwendbar. “Die Ergebnisse könnten die Grundlage für einen neuen Ansatz bei Banken-Stresstests bilden, der Rückkopplungseffekte zwischen der realen und der Finanzwirtschaft berücksichtigt”, so Poledna. Bisher würden dabei mögliche Rückkopplungen mit der Realwirtschaft nicht berücksichtigt.

 

Sie sprechen sich jedenfalls dafür aus, systemrelevante Unternehmen genauso zu regulieren, wie dies nach der Finanzkrise 2008 “Basel III” auch für systemrelevante Finanzinstitute getan wurde, für die seither etwa höhere Eigenkapitalanforderungen gelten.