Forum Alpbach – wie geht’s weiter?

 

Es sind Jahre des Umbruchs für das Europäische Forum Alpbach. Im Gegensatz zum Jahr 2020, das ganz im Zeichen der COVID-Einschränkungen stand, wird es heuer immerhin möglich sein, dass sich täglich bis zu 1.000 Teilnehmer vor Ort in Alpbach an den Diskussionen beteiligen können. Unlimitierter Zugang besteht dagegen für die digitalen Formate eine hybride Veranstaltung, wie man das nun nennt.

 

Zum ersten Mal finden die Gespräche in diesem Jahr unter der Ägide des neuen Vorstands statt. Andreas Treichl, langjähriger Chef der Erste Group und heutiger Aufsichtsratsvorsitzender der Erste-Stiftung, hat vergangenen November die Präsidentschaft von Franz Fischler übernommen, zusammen mit seinen fünf Vizepräsidentinnen hat er deutliche Spuren in der diesjährigen Programmgestaltung hinterlassen. Dahinter steht der Versuch, die bisher recht isoliert stehenden Teilsymposien stärker aufeinander zu beziehen.

 

“Es war uns wichtig, die thematischen Silos noch stärker aufzubrechen, als das bisher versucht wurde” , sagt dazu Michaela Fritz, Vizerektorin der Medizinischen Universität Wien und die einzige der Vizepräsidentinnen, die dem Vorstand auch schon bisher angehörte: “Man kann die großen gesellschaftlichen Probleme nicht innerhalb der Bereiche Gesundheit, Politik, Wirtschaft oder Technologie lösen, man muss verschiedenste Akteure miteinander ins Gespräch bringen”. Die “Gespräche” wurden durch die Fusion von Wirtschafts- und Finanzmarktgesprächen sowie Politischen Gesprächen und Rechtsgesprächen nicht nur in der Zahl verringert (und der Zeitplan inklusive Seminarwoche damit auf wenig mehr als zwei Wochen gestrafft), sie wurden auch inhaltlich stärker miteinander verbunden. Dass die Veranstaltung heuer kleiner ausfällt, stört Fritz nicht: “Wenn das Forum zu groß wird, ist ein vertiefter und auch spontaner Austausch zwischen den Teilnehmern schwieriger, aber gerade das macht das Forum Alpbach aus”. Ein wenig schwingt dabei vom Geist dessen mit, was Alpbach in seinen Anfängen war: Menschen setzen sich zusammen und führen intensive Gespräche über die Zukunft Europas.

 

Waren die Generalthemen bisher meist so allgemein gehalten, dass man beinahe alles darunter subsumieren konnte, haben die Organisatoren diesmal drei Haupt[1]stränge ( Three Tracks ) definiert, die sich durch das gesamte Programm ziehen: Wie kann man in Europa jene Systeme stärken und neu erfinden, die die Zukunft einiger[1]maßen beherrschbar machen? Wie lassen sich die drohenden Klimaveränderungen als Chance nutzen, neue Lebensweisen zu designen, die Lebensgrundlagen und Gesundheit für alle Menschen sichern? Und wie lassen sich Vermögen, die sich auch in Europa angesammelt haben, so lenken, dass sie die dafür notwendigen Transformationenfinanzieren? Gerade bei Letzterem hat Treichl wohl seinen Hintergrund aus dem Finanzsektor eingebracht (siehe nebenstehendes Interview): Ein Wirtschaftssystem, das die Schaffung großer Vermögen ermöglicht, wird hier nicht als Wurzel allen Übels, sondern als wichtige Voraussetzung für die Investitionen in den Wandel angesehen.

 

“Health in all Tracks”

 

“Gesundheit” ist dabei nicht nur ein Spezialthema unter vielen, sondern mit allen drei Tracks verbunden, wie Michaela Fritz betont: “Wie resilient ist das Gesundheitswesen? Wie hängen Gesundheit und Klimawandel zusammen? Und wie finanziert man das Gesundheitssystem? All diese Fragen kann man nicht nur unter Experten aus der Medizin diskutieren.

 

Einige Sitzungen der Gesundheitsgespräche nehmen diese Fährten explizit auf. Nach den Erfahrungen mit COVID-19, die nationale Gesundheitssysteme an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit gebracht haben, steht eine “Europäische Gesundheitsunion” im Raum. Noch sei die Idee sehr allgemein gehalten, meint Fritz, nun hätten erst einmal Stakeholder-Gespräche begonnen, die Positionen dazu sammeln. Damit in Zusammenhang steht, Europa als Standort der pharmazeutischen Industrie zu beleben. Zu dieser Thematik wird mit Roche-CEO Severin Schwan ein besonders prominenter Sprecher erwartet. Ein Erbstück, das auch in Zukunft erhalten bleiben wird, ist die Seminarwoche der in der Öffentlichkeit nur wenig wahrgenommene Einstieg in das Forum für eine Vielzahl von nationalen und internationalen Stipendiaten. Unsere Erwartungen an die teilnehmenden Studierenden ist aber gestiegen: “Wir wollen, dass sie in der Seminarwoche fit gemacht werden für die nachfolgenden Gespräche mit den anderen Teilnehmern und dass sie sich einbringen und die Diskussion vorantreiben”, sagt sagt Fritz. Schließlich geht es ja um deren Zukunft.

 

Nicht direkt durch das Team des Forum Alpbach, sondern weiterhin vom Partner AIT werden die Technologiegespräche programmiert. Das ist auch daran zu bemerken, dass diese weniger als die anderen Teile des Programms auf die Three Tracks abgestimmt sind. Die Komplexität der von Klimaaktivisten vehement geforderten grünen Transformation und die Schwierigkeiten, die sich der Umsetzung dringlicher Maßnahmen entgegenstellen, werden unter den Auspizien von Alpbach-Präsident Andreas Treichl und Komplexitätsforscher Stefan Thurner dennoch prominent behandelt werden.