Was bringen nächtliche Ausgangssperren?
Zur Eindämmung des Coronavirus führen immer mehr Städte und Kommunen nächtliche Ausgangssperren ein – zuletzt etwa in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Doch wie effektiv sind diese Maßnahmen wirklich? Wissenschaftlich gesicherte Daten gibt es dazu kaum.
Beispiel Österreich
Österreich führte bereits Anfang November ein nächtliches Teil-Ausgehverbot für die Zeit zwischen 20 und 6 Uhr ein. Konkret bedeutet dies: Die Privatwohnung darf nur zum Einkaufen, zur Arbeit, zum Sport und in wenigen weiteren Ausnahmefällen verlassen werden. Besuche oder Treffen mit Bekannten sind nachts untersagt. Deutlich gesunken sind die Infektionszahlen dort dadurch allerdings nicht. Kritiker nehmen dies zunehmend zum Anlass, die Wirksamkeit solcher Ausgehverbote grundsätzlich anzuzweifeln – auch hierzulande.
Kaum belastbare Daten – Effekt von Einzelmaßnahmen unklar
Fest steht: Die Frage, wie wirksam nächtliche Ausgangssperren wirklich sind, kann derzeit wohl kein Wissenschaftler der Welt abschließend beantworten. Zu wenig erforscht sind bislang die verschiedenen Vorschriften, mit denen man rund um den Globus versucht, der Pandemie Einhalt zu gebieten. „Die ganze Welt rätselt, was eigentlich bewirkt wird mit einzelnen Maßnahmen“, sagte der Medizinstatistiker Gerd Antes kürzlich im Deutschlandfunk. „Wir sind gegenwärtig in einer riesigen Beobachtungsstudie, wir experimentieren praktisch mit der Situation und mit uns selbst rum.“
Und der Epidemiologe André Karch von der Universität Münster stellte in seinem Podcast klar, man müsse bedenken, dass die Corona-Regeln „ein großes Bündel von Maßnahmen zur selben Zeit“ beinhalteten. „Es ist also sehr schwierig, den Effekt von Einzelmaßnahmen herauszurechnen.“
Studie der Universität Oxford
Dennoch versuchen Forschende immer wieder, die Wirkung unterschiedlicher Schutzvorkehrungen zu analysieren. Eine Studie der Universität Oxford etwa untersuchte dazu Daten aus weltweit mehr als 40 Ländern. Ausgangsbeschränkungen trugen demnach nur wenig zum Rückgang des Infektionsgeschehens bei. Andere Maßnahmen – wie etwa Schul- und Geschäftsschließungen – erachteten die Wissenschaftler als weitaus wirksamer.
Auch Wiener Wissenschaftler sehen nächtliche Verbote skeptisch
Eine Studie der Universität Wien, die sich 46 Maßnahmen in 76 Regionen weltweit widmete, kommt zu ähnlichen Ergebnissen. Eine nächtliche Sperrstunde und Alkoholverbote spielen demnach im Kampf gegen das Virus eine untergeordnete Rolle. Studienleiter Peter Klimek sagte der „Kleinen Zeitung“ aus Graz, er sehe bei zu starker nächtlicher Auflagen die Gefahr, dass sich Feiern und Zusammenkünfte zunehmend in den privaten Raum verlagerten. Zudem zeigen die Analysen, dass Ausgangssperren kaum mehr Effekte bringen, wenn etwa bereits fast alle Geschäfte geschlossen sind.
Die Ungewissheit bleibt
Abschließend beantworten lässt sich die Frage nach der Effektivität nächtlicher Ausgangsbeschränkungen folglich nicht. Am Ende kommt es aber auch und vor allem darauf an, wie viele Menschen sich tatsächlich an die Auflagen halten und wie streng deren Einhaltung kontrolliert wird – auch darauf haben Forschende mit Blick auf die unterschiedlichen Corona-Schutzmaßnahmen wiederholt hingewiesen.