Die Maschine und ihr Meister
Es wird Zeit, dass die Sportwelt eine neue Klasse einführt: Maschinen. Computer sind in den Kopf-Disziplinen Schach, Poker und Go angetreten – und haben ihre Konstrukteure abtreten lassen. Es gab einen Aufschrei, als Googles AlphaGo den Besten im klügsten Spiel der Welt degradierte, im Brettspiel Go. Wer hier Profi sein will, muss mit vier Jahren starten und hundert Züge im Voraus denken können. Dass es ein Computer schafft, Welt-Champion Lee Sedol zu schlagen, war eine Überraschung. Aber jetzt hat AlphaGo seinen Meister gefunden. Alpha Go Zero hat ihn besiegt. Google-Computer schlägt Google-Computer. Willkommen in der Maschinen-League.
Anders als beim Mensch-Maschine-Match im vergangenen Jahr gab es jetzt keinen großen Medien-Rummel. Dabei ist dieser Computer-Sieg spannender als der vom vergangenen Jahr. Denn die beiden Maschinen trennen Welten. AlphaGo ist so was wie ein braver Streber, der alles auswendig lernt. Seine Erfinder fütterten ihn mit allen möglichen von Menschen gespielten Partien. Um Lee Sedol schlagen zu können, musste AlphaGo 30 Millionen Spiele trainieren und das mehrere Monate lang. Alpha Go Zero übte nur 4,9 Millionen Spiele, brauchte dafür drei Tage – und haute seinen Vorgänger in die Pfanne. Der Unterschied zwischen beiden: Die IT-Experten entwickelten eine andere Strategie für AlphaGo Zero, eine neue Software. Sie ließen ihn keine menschlichen Partien wiederholen, sie brachten ihm nur die Regeln von Go bei. Nach dem Motto: Mach mal. AlphaGo Zero spielte gegen sich selbst und lernte durch Versuch und Irrtum. Beeindruckend gut und schnell. Herausragende Leistung, urteilt Satinder Singh, Experte für Künstliche Intelligenz, im Magazin Nature. Wenn ein Computer lernt, was Menschen ihm vorkauen, wird er so gut, wie die besten Menschen, die er imitiert. Wenn er selbst lernt, sagt Singh, kann er Neues entwickeln.
Ist die Künstliche Intelligenz uns schon jetzt überlegen? Nein, sagt Singh. Obwohl die Maschinen sogar Spielzüge setzten, die kein Mensch kannte, sind sie begrenzt in dem, was sie wissen und tun. Sie spielen noch nicht wirklich in der Menschen-Liga. Der Physiker Stefan Thurner von der Uni Wien hat das auf der Falling-Walls-Konferenz in Berlin an einem Beispiel erklärt. Maschinen, sagt er, können eines nicht: Fußball spielen. Nicht nur, weil Fußball-Roboter zu oft über ihre Füße stolpern. Es reicht in der zentralen Recheneinheit nicht. Anders als Fußball findet Go nach streng logischen Regeln statt, auf einem übersichtlichen Brett. Der Rasen ist eine weniger geordnete Welt, chaotischer. Mit 22 Spielern, von denen viele zur gleichen Zeit in Bewegung sind. Was die treiben, ist nicht immer so logisch. Sie foulen, missachten Regeln. Dann pfeift noch einer dazwischen. Eine Maschine muss auf dem Rasen mit vielen Unbekannten rechnen, sich ständig auf den neuesten Spielstand updaten. Dafür, meint Thurner, brauchen wir eine andere Mathematik als die, nach der Elektronenhirne derzeit ticken.
Das heißt, das Chaos ist mit uns und das Spiel ist offen. Solange die Bayern Meister sind und nicht Dynamo Google, solange ist der Mensch noch alles in allem erstklassig.
Fragen und Meinungen zu Nachgeforscht an: cvd@moz.de