“Das Zeitfenster für regionale Verschärfungen ist vorbei”

 

Prognoseexperte. Nur vulnerable Gruppen zu schützen reiche nicht, sagt Peter Klimek vom Complexity Science Hub.

 

Die Presse: Deutschland macht einen Lockdown, wir warten bei schlechteren Zahlen zu – mit dem Argument, dass die Leute es ernst nehmen müssen. Wer hat recht?

Peter Klimek: Wir sind schon in einer ernsten Situation. In den vergangenen Wochen wurden immer mehr Bezirke auf rot geschälten, aber nicht überall ist viel passiert. Offenbar hat die Rotschaltung nicht ausgereicht, um allen klarzumachen, dass es ernst ist. Anscheinend muss man erst drastische Maßnahmen verhängen, damit die Leute merken, dass es ernst ist – ein Henne-Ei-Problem.

 

Die Phase, in der regionale Lockdowns ausreichen, ist vorbei?

Ja, das Zeitfenster für regionale Verschärfungen ist vorbei. Es wurde nicht genutzt. Es liegt aber auch schon mehrere Wochen zurück.

 

Wie viel Zeit bleibt denn weite Notbremsung?

 

Wir sprechen immer von bundesweit 5000 bis 8000 Fällen täglich, bei denen wir an die Kapazitätsgrenzen in den Spitälern stoßen. Regional wird das schon früher passieren – wenn wir nicht in den nächsten Tagen handeln.

 

Manche Experten meinen, es würde reichen, die vulnerablen Gruppen zu schützen. Geht das praktisch – gibt es internationale Beispiele?

 

Pflegewohnheime kann man sicher besser schützen. Aber die füllen nicht die Intensivstationen. Dort liegen nicht Hochbetagte, sondern Ältere mit Vorerkrankungen, die noch in Familien leben und sich in der Freizeit anstecken. Wie soll man die schützen, ohne die Aktivitäten für alle einzuschränken?