Molekularbiologe wirft Haslauer “Fake News” vor
Salzburgs Landeschef hatte gemeint, Virologen würden Menschen am liebsten einsperren. Das bringt ihm Kritik – auch von Komplexitätsforscher Klimek: „Was ist das hier für ein Umgang?”
Wie ernst gemeint auch immer sie war: Die Aussage von Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP), wonach Virologen Menschen aus Schutz vor einer Infektion am liebsten einsperren würden, sorgt für scharfe Kritik. Ulrich Elling vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften warf dem Politiker im „Puls24″-Interview „Fake News” vor. Und kritisiert, dass die Politik viel zu spät reagiert habe.
Die Unterstellung an Virologen und die Absage an Lockdowns sei ein Symptom der Hilflosigkeit, sagte der Molekularbiologe. Die Kritik sei diffamierend und motivationszerstörend für Wissenschaftler. “Es entbehrt jeglicher Wahrheit. Das sind komplette Fake-News, die Behauptungen, dass wir Leute einsperren wollen”, sagt Elling. Die Experten hätten die Corona-Dynamik sehr wohl vorhergesehen und rechtzeitig intelligente Maßnahmen vorschlagen, damit eben Lockdowns verhindert werden können. Nur die Politik hätte nicht gehört.
Strikte Kontrollen erforderlich
Die Situation sei nicht erst seit Oktober dynamisch, schon im August habe das Prognose-Konsortium gesagt, dass es in den Spitälern eng werden wird. Dass die Impfeffizienz wegen Delta abnehme, sei auch bekannt gewesen. Israel habe im August bekanntgegeben, dass Auffrischungsimpfungen helfen. Der Stufenplan sei dann nicht auf die Pandemie zugeschnitten gewesen, sondern auf den Wahlkampf in Oberösterreich, sagte Elling.
Weil man zu lange gewartet hätte, brauche man nun “Akutmaßnahmen”. Kurzfristig hätte man nun nur noch die Wahl zwischen “einer Vollbremsung oder Augen zu und durch”. Ein strikter Lockdown würde Elling zufolge auf jeden Fall Wirkung zeigen. Es könnte auch klappen, wenn dieser nur Ungeimpfte betreffen würde, sagte der Experte. Ob das aber machbar sei, ist fraglich. Es müsste strikt kontrolliert werden. Das eigentlich Problem sei aber, dass dafür der politische Wille fehle, sagt Elling.
Ärztekammer sieht “Versuch, abzulenken”
Die Ärztekammer warf Haslauer unterdessen vor, mit seinen Aussagen von eigenen politischen Versäumnissen abzulenken, wie ÖÄK-Präsident Thomas Szekeres am Freitag sagte. In einer Zeit der Verschwörungstheorien und Fake News sei dies “gefährlich”.
Haslauer habe einem ganzen Berufsstand Realitätsferne vorgeworfen und damit ihre Expertisen in Frage gestellt, kritisierte Szekeres in einer Aussendung die “zunehmenden Angriffe einzelner Politiker auf wissenschaftlich fundierte Aussagen von Expertinnen und Experten”. Hier passiere eine klassische Umkehr, denn allzu häufig hätten Politiker realitätsfern gehandelt, “indem sie, den Blick nur auf Wählerstimmen und Umfragewerte gerichtet, nicht auf die Berechnungen und Voraussagen der Expertinnen und Experten hörten”, tadelte der Ärztekammer-Präsident.
Hutter: “Ist-Zustand klafft von Gesagtem weit auseinander”
Schon am Donnertag hatte Jörg Hutter, Sprecher der Spitalsärzte in der Salzburger Ärztekammer, Kritik geübt. Er griff aber nicht Haslauer, sondern die Politik allgemein an. “Der Ist-Zustand in den Krankenhäusern klafft weit von dem auseinander, was gestern auf der Pressekonferenz gesagt worden ist.” Bisher seien fast alle Prognosen, die von Analytikern erstellt worden seien, letztlich auch eingetroffen.
Auch Hutter sprach sich für baldige Kontaktrestriktionen aus. “Sämtliche Maßnahmen die wir jetzt ergreifen, und das ist die Befürchtung vieler Ärzte, werden erst in zwei bis drei Wochen schlagend. Im Krankenhaus laufen dann wieder alle hinterher, darum brauchen wir jetzt kurzfristige Maßnahmen.”
Höchst emotional reagierte auch der Komplexitätsforscher Peter Klimek. “Was ist das hier für ein Umgang, den man in Österreich mit Wissenschaftlichkeit pflegt?”, ärgerte er sich Donnerstagabend in der „ZiB2″ des ORF. Die Politik habe selbstverständlich gewusst, dass sich die Coronawelle so aufbaue, all das sei vorhersehbar gewesen. Angesichts dieser Wissenschaftsfeindlichkeit sah er Österreich “einen Schritt weiter zur Bananenrepublik”.