Der Stoff, aus dem Recyclingträume sind

 

 

Nutzt man Rohstoffe möglichst oft, hilft das, Energie zu sparen und die Wertschöpfung zu steigern. Ein Ausflug in den Alpbacher Recyclinghof, wo am Rande der Technologiegespräche – wissenschaftlich fundierte – Visionen für die Kreislaufwirtschaft präsentiert wurden.

 

 

Vorbei an Altpapier-, Batterie- und Buntglassammelstellen, Containern mit Bauschutt und kleinem und großen Elektroschrott – vom Toaster bis zur Waschmaschine – geht es zum Termin im Alpbacher Recyclinghof. Der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFTE) hat für die Präsentation neuer Studienergebnisse den passenden Ort gewählt. Was zunächst ein wenig verstaubt wirke, sei wesentlicher Teil künftiger Industriepolitik, stellt die stellvertretende RFTE-Vorsitzende, Sabine Herlitschka, eingangs klar. Kreislaufwirtschaft, also das wiederholte Nutzen von Ressourcen, soll nämlich dazu beitragen, Energie zu sparen und der zunehmenden Rohstoffknappheit entgegenwirken. „Das Thema ist wichtiger denn je und zentral für die grüne Transformation“, sagt Herlitschka.

Stehen vor Wettbewerb um Abfall

 

 

Allein: Auch die sogenannten Sekundärstoffe sind begehrt, weil nicht unbegrenzt vorhanden. „Abfall ist ein knappes Gut“, sagt einer der Studienautoren, Roland Pomberger, Lehrstuhlleiter für Abfallverwertungstechnik und Abfallwirtschaft an der Montanuni Leoben. Abfälle sind für ihn „Stoffwechselprodukte der Gesellschaft“: „Jedes Produkt wird Abfall, die Frage ist nur, wann.“ Wertlos ist es dann dennoch nicht: Selbst in kaputten oder nicht mehr benötigten Produkten stecken Rohstoffe. Eine von Pombergers Thesen lautet daher: Nutze man diese künftig stärker, werde ein Wettbewerb um sie ausbrechen. Dann werde man Abfall eventuell als Rohstoff importieren. Politisch sei das derzeit aber noch nicht vorstellbar. „Das gilt heute noch als böse.“ Ein Paradigma, das es zu überwinden gelte. Weil die Mengen fehlen, sei es derzeit noch schwierig, passende Geschäftsmodelle zu entwickeln. Zudem sei fraglich, ob es sich Österreich künftig leisten könne – wie momentan –, von 250.000 Altautos im Jahr nur 50.000 zu recyceln. Allerdings würden Produkte immer komplexer – und damit ihre Aufbereitung, erklärt Pomberger. Und auch so manche Regulative seien wenig förderlich.

 

 

Hier passende Antworten zu finden, sei essenziell, um künftige geopolitische Abhängigkeiten zu vermeiden, sagt auch Thomas Kienberger. Er leitet den Lehrstuhl für Energieverbundtechnik an der Montanuni und hat ebenfalls im Auftrag des RFTE eine Studie verfasst. „Die Frage ist aktueller denn je. Wir haben vor einem Jahr in Alpbach über Klimaneutralität gesprochen, heute diskutieren wir völlig anders.“ Doch was bremst die Entwicklung sonst noch? Mitunter die Reinheit der sogenannten Sekundärrohstoffe (siehe Lexikon). Hochfester Stahl brauche eine bestimmte Qualität, ebenso Baustoffe, wenn daraus neue Häuser gebaut werden sollen, erläutert Kienberger.

 

 

Mit Stefan Thurner präsentierte im Alpbacher Recyclinghof noch ein dritter Forscher seine Ergebnisse. Der Komplexitätsforscher und Chef des Complexity Science Hub Vienna zeigte, wie sehr Ökonomie auf – mehr oder weniger komplexen – Netzwerken basiert: von der Erfindung bis zum Recycling von Produkten. „Um ein T-Shirt zu machen, muss ich nähen können – und kann auch eine Unterhose nähen.“ Und: „Wer Erbsen anbaut, kann auch Bohnen anbauen. Braucht man ähnliche Fähigkeiten, um etwas herzustellen, so liegen die Produkte in Thurners Netzwerk nah beieinander. Die so identifizierten Produkträume sollen zeigen, wo Potenzial verborgen ist, etwa in der Mikroelektronik- oder Pharmaindustrie: „Wir wollen grüne Produkte und solche, die uns reicher machen“, sagt er. Ein digitaler Monitor, mit dem sich Marktchancen leicht orten lassen, ist in Arbeit. […]