Autor: Presseclipping erstellt am 28.04.2020 für Complexity Science Hub Vienna zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. © CLIP Mediaservice 2020 – www.clip.at Anfragen für weitere Nutzungsrechte an den Verlag Complexity Science Hub Die Presse 28.04.2020 Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 60.332 | Reichweite: 315.000 (4,2) | Artikelumfang: 132.445 mm² Seite: 2, 22 1/4 Michaela Ortis Thema: Kann eine App gegen Corona helfen? Kann eine App gegen Corona helfen? Handy-Wächter. Welchen Beitrag Contact-Tracing-Apps in der Post-Lockdown-Welt leisten. Undwas der Preis dafür sein könnte. Sie soll beim Hochfahren des Alltags” helfen, bisher polarisiert sie aber vor allem. Nicht nur in Österreich, auch in Deutschland, wo dieser Tage eine neue Contact-Tracing-App präsentiert wurde. Österreich – konkret das Rote Kreuz mithilfe der Tech-Firma Accenture und mit finanzieller Unterstützung der Uniqa-Stiftung – war in Europa unter den Ersten, die ein digitales Kontakttagebuch entwickelt haben. Diese Art von App setzt nicht auf Bewegungsprofile (Tracking) von Erkrankten, um Infektionsketten zu unterbrechen. Die Erkrankten bzw. Menschen mit Symptomen verständigen vielmehr selbst jene, mit denen sie in den vergangenen zwei Tagen einen relevanten Kontakt (15 Minuten bei zwei Meter Abstand) hatten. Gespeichert wird der Kontakt über einen digitalen Handshake (einen Austausch von Zufallscodes). Die Warnungen (plus Aufforderung) zur Isolierung werden anonym versandt. Klingt problemlos? Kommt darauf an, wen man fragt. Und was. Ein Überblick über die wichtigsten Themen der Stopp-CoronaApp (s. auch Gastkommentar auf S. 22). machen 0WasGoogle und Apple? Kehrtwende. Zu Beginn der Corona-Pandemie wurde das KonsortiumPepp-PT ( Pan European Privacy Perserving Proximity Tracing”) gegründet. Ziel war eine europaweite Lösung, die grenzüberschreitend Infektionsketten nachverfolgen kann. Dabei kristallisierten sich schnell zwei Lösungen heraus. Eine dezentrale Serverlösung, wodurch die Daten auf den Endgeräten der Nutzer bleiben. Jener Weg, den auch das Österreichische Rote Kreuz mit der App Stopp Corona” verfolgt. Bei der zentralen Pepp-PTMethode erfolgt hingegen ein Abgleich der Daten über einen zentral verwalteten Server. Diesen Weg verfolgte die deutsche Bundesregierung. Dafür gab es massive Kritik von Datenschützern. Diese Entscheidung stößt bei uns zwischenzeitlich auf großes Unverständnis, da gerade dies der problematischste unter den vorliegenden Entwürfen ist”, heißt es in einem Offenen Brief des Chaos Computer Clubs. Denn die zentral gespeicherten Daten könnten, auch wenn sie pseudonymisiert gespeichert werden, leicht de-anonymisiert und zurückverfolgt werden. Jedem Ansatz eines möglichen Missbrauchs von Gesundheitsdaten muss entschieden entgegengetreten werden.” Unerwartet Hilfe bekommt der Chaos Computer Club von den Tech-Riesen Apple und Google. Die Unternehmen arbeiten gemeinsam daran, Software-seitig den Boden Autor: Presseclipping erstellt am 28.04.2020 für Complexity Science Hub Vienna zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. © CLIP Mediaservice 2020 – www.clip.at Anfragen für weitere Nutzungsrechte an den Verlag Complexity Science Hub Die Presse 28.04.2020 Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 60.332 | Reichweite: 315.000 (4,2) | Artikelumfang: 132.445 mm² Seite: 2, 22 2/4 Michaela Ortis Thema: Software-seitig für die Corona-Apps zu ebnen. Einerseits soll damit die Kommunikation” zwischen iPhones und Android-Smartphonesverbessert werden. Bislang erkennen sich die Geräte über Bluetooth oftmals nicht. Andererseits soll eine datenschutzsichere Bluetoothbasierte Plattform entstehen, die eine bessere Nachverfolgung von Kontakten ermöglicht. In den kommenden Monaten sollen die Anwendungen dann in das jeweilige Betriebssystem integriert werden. Dabei beharren die beiden Unternehmen auf einer dezentralen Speicherlösung. Daran werde nicht gerüttelt, teilte der für Datenschutzfragen zuständige Apple-Manager Gary Davis mit. Jenen Ländern, die auf eine zentrale Lösung setzen, werden die nötigen Schnittstellen nicht zur Verfügung gestellt. Wohl auch aus diesem Grund hat die deutsche Bundesregierung eine Kehrtwende vollzogen und setzt nun ebenfalls auf einen dezentralen Ansatz bei der Datenspeicherung. Dazu solle der Einsatz einer konsequent dezentralen Softwarearchitektur” vorangetrieben werden, betonen der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn und Kanzleramtschef Helge Braun. (bagre) Was plant die heimische Politik? Dissens. Offiziell heißt es: Die App soll freiwillig bleiben. ÖVP-Politiker, die laut über soften Zwang (also Vorteile für User) nachdachten, ruderten zurück. Im Hintergrund herrscht jedoch zwischen ÖVP und Grünen Verstimmung. Aus grünen Kreisen heißt es: Die ÖVP habe eine Verpflichtung bzw. eine über die App hinausgehende digitale Überwachung angestrebt, die Grünen hätten auf Freiwilligkeit gepocht. Das Ergebnis sei, dass die ÖVP diese App nicht wolle, weshalb sie auch nicht intensiv beworben werde. Doch um zu wirken, braucht die App viele User. Oder zumindest die richtigen, wie Experten im Umfeld des Gesundheitsministeriums erklären. Man will sich auf mobile Städter konzentrieren, also Leute, die viel Kontakt mit ihnen fremden Menschen haben. Darüber hinaus sollen Unternehmen dafür gewonnen werden, ihre Mitarbeiter zu motivieren, die App zu nutzen – freiwillig. Losgelöst von der Stopp-Corona-App gibt es die Idee eines digitalen Gesundheitspasses, der zeigt, ob man gesund, krank oder immun ist, und der zur Nutzung von Infrastruktur (z. B. Gastronomie) berechtigen könnte. Wirtschaftskammer Präsident Harald Mahrer erachtet den Ansatz für interessant, vor allem wenn es eine globale Lösung gebe. Was die Regierung davon halte, wisse er aber nicht. Die Staatsdruckerei entwickelt jedenfalls bereits eine App zum Nachweis einer Coronavirus-Immunität. (uw) Wie sicher sind die Daten der User? Sicherheit. Fast die Hälfte der Österreicher soll die Stopp Corona”-App nutzen. Dann sei flächendeckendes Tracking und ein Verhindern von neuen Infektionsketten möglich, ist das Rote Kreuz überzeugt. Derzeit haben sie erst knapp fünf Prozent der Bevölkerung installiert. Die Skepsis an einer Tracking-App ist nach wie vor groß. Obwohl das Rote Kreuz auf Freiwilligkeit und Datenminimierung setzt. Personenbezogene Daten bleiben auf dem Gerät sowie die mit der App aufgezeichneten Kontakte. Dieser sogenannte dezentrale Ansatz sichert, dass niemand Zugriff darauf erhält. Das Rote Kreuz erhält nur pseudonomisierte Kennzahlen (IDs). Erst bei einer Infektion muss die Telefonnummer angegeben werden. Experten, die die App geprüfthaben, sehen den Datenschutz gewährleistet. Zudem ist der Quellcode, der zeigt, wie die App operiert, jetzt öffentlich (github.com/austrianredcross). (bagre) Wie wirken Apps& Co. global? I c>~) | Theorie und Praxis. Ostasien gilt als Vorreiter bei der digitalen Rückverfolgung von Corona-Infizierten. Die Methoden in der Region unterscheiden sich aber – und damit der Eingriff in die Privatsphäre. Als erster Staat empfahl Singapur seinen Bürgern den Download einer App, die Kontakte zeitversetzt mittels Bluetooth verfolgt. Auf diesem Tracing basiert auch die Stopp Corona”- App. Im Gegensatz dazu werden beim Tracking Daten in Echtzeit übermittelt. So überwacht Taiwan – ebenso wie Israel – per Mobilfunksignal, ob Einreisende und Infizierte die Quarantäne einhalten. Südkorea nutzt Handy-Standortdaten, Überwachungskameras und Kreditkartenaufzeichnungen und verständigt Bürger per SMS über Coronakontakte. Die Volksrepublik setzt auf QR-Codes: Basierend auf persönlichen Daten und Bewegungsprofilen weisen Smartphone- Apps nach, ob man infiziert war oder mit Infizierten Kontakt hatte. Indien will den Gesundheitszustand von Infizierten und medizinischem Personal mit digitalen Armbändern überprüfen. Doch wie wirksam sind zum Beispiel Contact-Tracing-Apps wie jene des Roten Kreuzes eigentlich? Wenn über die Wirkung gesprochen wird, wird meist die im Fachmagazin Science” publizierte Studie der Universität Oxford zitiert. Darin wurde anhand eines mathematischen Modells durchgerechnet, ob Smartphones einen Beitrag zur Unterbrechung von Infektionsketten leisten. Die Antwort: Ja – als ein Instrument von vielen. Der Vorteil der App ist ihre Ge- Autor: Presseclipping erstellt am 28.04.2020 für Complexity Science Hub Vienna zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. © CLIP Mediaservice 2020 – www.clip.at Anfragen für weitere Nutzungsrechte an den Verlag Complexity Science Hub Die Presse 28.04.2020 Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 60.332 | Reichweite: 315.000 (4,2) | Artikelumfang: 132.445 mm² Seite: 2, 22 3/4 Michaela Ortis Thema: schwindigkeit. Denn manuelle Kontaktverfolgung (d. h. Nachtelefonieren der Gesundheitsbehörde), so erklären Autoren, sei schlicht zu langsam, vor allem weil viele Ansteckungen passieren, bevor jemand überhaupt selbst Symptome entwickelt. Sogar wenn alle mit Symptomen konsequent in Quarantäne gingen, ließe sich das Virus nicht sicher aufhalten, folgert die Studie. Derzeit, sagt Peter Klimek, einer der Epidemie-Modell-Forscher am Complexity Science Hub Vienna, liegen circa drei Tage zwischen dem Zeitpunkt, an dem jemand infektiös wird, und dem Antritt der Quarantäne. Das sind drei Tage, um andere anzustecken. Jeder Tag weniger, auch jeder halbe, jede Stunde hilft”, sagt Klimek. Auch die globale Maßnahmendatenbank, die am CSH gerade entsteht, zeige, dass derartige Apps ein effektiver Hebel” seien. Aufgrund der OxfordStudie wird vorgerechnet, dass mindestens 60 Prozent der Bevölkerung teilnehmen und sich an die Isolierung halten müssten, damit die App relevante Wirkung zeigt. Laut Rotem Kreuz könnten auch 40 Prozent genügen, weil hier die Kontakte schon vor einem Test, nämlich ab dem ersten Verdacht, gewarnt werden können. (me/uw) Ist eine App-Pflicht rechtlich möglich? Abwägungsfrage. Eine Download-Pflicht (z. B. verankert in einem Covid-Gesetz oder dem Epidemiegesetz) sei denkbar, sagt Christiane Wendehorst, Datenschutzrechtsexpertin an der Uni Wien. Allerdings nur, wenn die Alternative die komplette Untersagung vieler Aktivitäten wäre, also ein noch drastischerer Grundrechtseingriff, so dass sich die Corona-App letztlich als das mildere Mittel darstellt”. Aber auch dann müsste sich eine App-Pflicht noch weiter am Maßstab der Verhältnismäßigkeit messen lassen, wobei auch das subjektive Unbehagen vieler Menschen, staatlich überwacht zu werden, durchaus eine Rolle spiele. Derzeit sieht die Juristin – so sehr ich die freiwillige Nutzung begrüße” – für eine derartige Pflicht aber nicht die Voraussetzungen: Weder sei die App als Instrument zur Epidemie-Eindämmung derart effizient. Noch sei die Entwicklung der Epidemie momentan derart heftig. Eine andere Frage ist, ob Private (z. B. Supermärkte, Lokale) Kunden ohne App einen Vertragsabschluss verweigern dürfen. Auch das ist nicht undenkbar. Aber auch hier müsse man fragen, ob eine Verweigerung sachlich gerechtfertigtwäre. Voraussetzung wäre jedenfalls, dass auch Menschen ohne Smartphones Zugang bekommen könnten (z. B. über einen sogenannten Beacon). Und man dürfe nicht Menschen mit Behinderung, ältere Menschen oder Kinder (z. B. bei den ÖBB) ausschließen. (uw) Was will eigentlich die EU? Fleckerlteppich droht. Am 8. April legte die Europäische Kommission die Grundsätze vor, welche die Mitgliedstaaten bei der Schaffung und Nutzung von Apps zur Verfolgung von Ansteckungsketten zu beachten hätten. Ihre Verwendung solle freiwillig für die Nutzer, basierend auf ihrer Zustimmung, sowie Datenschutzrecht und dem Schutz der Privatsphäre” erfolgen. Die weitverbreitete Verwendung einer paneuropäischen LeitApp”, oder zumindest die Interoperabilität der nationalen Apps, wäre zielführend. Doch das ist derzeit unrealistisch. Denn für manche EU-Staaten ist die App gar nicht vorrangig. Belgiens Bundesregierung etwa setzt gar nicht darauf. Denn die Zuständigkeit liegt bei den Regionen. Die können sich nicht auf eine App einigen. Für uns bleibt das eine Priorität”, sagte ein Kommissionssprecher zu Presse”. Aber es gibt natürlich keine Pflicht, eine App zu machen.” (GO) Was planen Shops und Fluglinien? Ticket. Wir unterstützen alles was sinnvoll ist”, heißt es zum Thema App bei der AUA. Durch diese könne die – aufgrund der Flugzeug-Klimaanlage jedoch extrem geringe” Ansteckungswahrscheinlichkeit – theoretisch” weiter gesenktwerden. Allerdings gebe es noch einige technische Fragen: So sollen die Smartphones im Flugzeug ja im Flugmodus – also mit deaktiviertem Bluetooth – sein und werden oft auch nicht am Körper getragen, sondern im Overhead-Locker gelagert. Bei der Frage einer möglichen Verpflichtung käme eine rechtliche Thematik hinzu. Außerdem sind viele Passagiere der AUA keine Österreicher. Bei Geschäften wiederum stelle sich die Frage mangels konkreter Forderung” derzeit nicht, heißt es etwa bei Rewe (Billa, Merkur, Bipa). Daher wolle man das Thema nicht kommentieren. (jaz) Was bedeutet die Appfür den Job? Arbeitsplatz. Firmen könnten ihre Mitarbeiter wohl sogar dazu verpflichten, die App zu verwenden, sagt Lukas Feiler, Datenschutzexperte bei Baker McKenzie in Wien. Allerdings gelte das nur für das Diensthandy und während der Arbeitszeit. Gibt es einen Betriebsrat, wäreeine Betriebsvereinbarung nötig. Und was, wenn ein Mitarbeiter – dienstlich oder privat – eine Warnung aufs Handy bekommt? Beim Roten Kreuz hofft man bei Vorwarnungen auf die Einsicht des Arbeitgebers. Das Sozial- bzw. Arbeitsministerium solle dazu noch Anleitungen veröffentli- Autor: Presseclipping erstellt am 28.04.2020 für Complexity Science Hub Vienna zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. © CLIP Mediaservice 2020 – www.clip.at Anfragen für weitere Nutzungsrechte an den Verlag Complexity Science Hub Die Presse 28.04.2020 Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 60.332 | Reichweite: 315.000 (4,2) | Artikelumfang: 132.445 mm² Seite: 2, 22 4/4 Michaela Ortis Thema: Anleitungen chen, hieß es. Diese wären allerdings rechtlich nicht bindend, bei einemKonflikt müsste das Arbeitsgericht entscheiden. Bei echten Warnungen kann man sich von der Gesundheitsbehörde einen Absonderungsbescheid holen. Der sei dann jedenfalls ein Rechtfertigungsgrund, um daheim zu bleiben, heißt es beim Roten Kreuz. Arbeitsrechtsexperte Philipp Maier meint indes, schon bei einer Vorwarnung könnte sich der Arbeitnehmer wohl auf seine höherwertige Pflicht, niemanden anzustecken” berufen und bis zur Abklärung des Verdachtsfalles – längstens zwei Wochen – zuhause bleiben. Umgekehrt habe wohl auch der Arbeitgeber die Pflicht, solche Mitarbeiter ins Home-Office zu schicken oder dienstfrei zu stellen, sagt der Anwalt. Auch er betont freilich, dass es dazu noch keine gesicherte Rechtsansicht gibt. Und: Zu regeln sei dann auch, dass nicht jeder, den man zehn Meter entfernt am Flur sieht, als Kontakt gilt”, (cka) Erst das Tracking, dann die Moral Stopp Corona”-App: Die Technologie wurde sofort gestartet, erst jetzt wird geprüft, ob und wie sie den Menschen dient oder schadet. VON MICHAELA ORTIS Die Analyse der Stopp Corona”-App im Hinblick auf Datenschutz und IT-Sicherheit durch noyb.eu, epicenter.works und SBA Research ist soeben veröffentlicht worden. Die App selbst ist jedoch schon seit etwa einem Monat in den App Stores verfügbar. Die Analyse habe keine kritischen Sicherheitslücken gefunden, heißt es, dennoch wurden 25 Verbesserungsempfehlungen verfasst; das sind zwei davon: Eine Statistikfunktion hat den Kontaktaustausch über Bluetooth und den Empfang von Infektionsnachrichten an das Rote Kreuz übermittelt – diese wurde nun entfernt. Derzeit besteht die Gefahr des Offline-Trackings, z. B. könnten Hacker ein Smartphone und seinen Besitzer jeden Tag beim Einkaufen im Supermarkt wiedererkennen und so Bewegungsprofile erstellen – das soll Ende nächster Woche behoben werden, indem der persönliche Schlüssel regelmäßig geändert wird. Technik-Entwickler preschen preschen seit Jahren voran, ohne sich um Nebenwirkungen” zu kümmern – mit diesem Argument: Wir Menschen denken irrational und machen Fehler, daher müssen wir in Herden geleitet werden. Amazon schickt uns Kaufempfehlungen, eine KI steuert autonom fahrende Autos, der AMSAlgorithmus entscheidet über die Zukunft von Arbeitslosen, eine App stoppt Corona. Shoshana Zuboff beschreibt in ihrem Buch Überwachungskapitalismus” das Vorgehen von Technik-Entwicklerin mit dem Enteignungszyklus: Konzerne wie Google, Facebook & Co. beginnen mit einem Übergriff, etwa indem auf der ganzen Welt die Google Streetcars jedes Haus und Fußgänger fotografieren. Auf die Welle der Empörung über den Eingriff in unsere Privatsphäre folgt die Gewöhnung, Google macht oberflächlich Anpassungen in den Policies, um Gerichte zu befriedigen, und den Menschen erscheint somit das Projekt unvermeidlich. Dann kommt der nächste Übergriff, sodass viele Übergriff, Menschen erschöpft den Widerstand beenden und sich dem Mantra der technologischen Unabwendbarkeit beugen, welches die Tech-Konzerne predigen. Falsch gedacht: Nicht wir müssender Technik dienen, sondern die Technik uns. Bei Stopp Corona geht es um das Tracken von Kontakten und das ist eine Gefahrentechnologie für unsere Privatsphäre – ein Blick nach China genügt. Weil wir keine Herde sind, sondern unser eigenes Leben führen, dürfen bei Tracking-Werkzeugen rote Linien nicht überschritten werden. Ethische Überlegungen müssen bereits im Entwurf von Technologien berücksichtigtwerden. Wie sollen wir vertrauen? Wie verhalte ich mich etwa, wenn jemand meldet, er hätte CoronaSymptome, aber noch keinen Test? Auf der FAQ-Seite des Roten Kreuz heißt es dazu: Im besten Fall und wenn möglich begeben Sie sich daher in Selbstquarantäne”. Aber Selbstquarantäne könnte möglicherweise ein Dauerzustand werden, wenn Symptomfragebogen und TAN zu einer Verdachtsmeldung reichen. Wenn man sieht, wie selbst Juristen über die Auslegung der Corona-Maßnahmen der Bundesregierung streiten, wie zum Teil rigoros Strafen verteilt werden, wie sollen Menschen vertrauensvoll diese App einsetzen? Sofort kamen auch Ideen auf, wie man Nutzern der Stopp Corona-App Vorteile verschaffen könnte, durch geringere Ausgangsbeschränkungen oder das Betreten eines Lokals nur mit App. Die Analyse von noyb.eu, epicenter.works und SBA hat Verbesserungen bewirkt. Doch wo ist eine Ethikkommission, die die Regierung bei Tracking Apps wie Stopp Corona berät? Ünd sich künftig im Vorhinein Gedanken über Technik-Einsatz im Sinn von menschlichen Werten und Bedürfnissen macht. Michaela Ortis (*1963), Freie Journalistin mit Schwerpunkt Digitalisierung und Gesellschaft.