Auf der WELLE reiten
Omikron Nach zwei Jahren Covid[1]Krise könnte mit Omikron der vorläufige Endgegner gekommen sein. Doch was kommt da noch auf uns zu?
NINA HORACZEK, EVA KONZETT UND JOSEF REDL FAKTEN-CHECK: OMIKRON IST JETZT DA Einen Tsunami nennt die Weltgesundheitsorganisati[1]on (WHO) die Omikronvariante, die sich drei bis vier Mal schneller als der Vorgänger Delta verbreitet aber immerhin gibt es bei Omik[1]ron für dreifach Geimp e eine gro[1]ße Chance, nicht schwer zu erkran[1]ken. Auch für Ungeimp e landen laut einer britischen Studie um 24 Prozent seltener im Spital. Weil sich in kurzer Zeit viel mehr Menschen anstecken, könnte am Ende eine Art Herdenimmuniät stehen. Bis dahin droht aber trotzdem eine Überlas[1]tung des Gesundheitssystems. In Italien fielen am vorigen Wochen[1]ende zahlreiche Züge aus, weil so viele Lokführer und Schaffner krank oder in Quarantäne waren. In Lon[1]Quarantäne don mussten Soldaten in den Spitä[1]lern und bei Rettungsdiensten aus[1]helfen. Griechenland verdonnerte Privatärzte dazu, in den mit Covid[1]19-Patienten überfüllten öffentli[1]chen Spitälern einzuspringen. Der vergleichsweise mildere Ver[1]lauf von Omikron liegt zum einen daran, dass viel mehr Menschen ge[1]imp sind, und zum anderen daran, dass Omikron im Gegensatzzu Del[1]WIRD OMIKRON? WIE GEFÄHRLICH ta die Lungenweniger angrei , sagt der Mikrobiologe Michael Wagner von der Universität Wien. Aber auch Omikron könne Bronchien und in[1]nere Organe schädigen. Außerdem gibt es erste Vermutungen,dass eine Covid-19-Infektion das Diabetesri[1]siko bei Kindern erhöhen könnte. Hier werden dringend aussagekräf[1]tige Studien benötigt , sagt Wagner. Studien zu dieser Variante sind insgesamt rar, es gebe aber gar kei[1]nen Grund, zu glauben dass Omik[1]ron in Bezug auf Long Covid harm[1]loser wäre , sagt der Neurologe und Long-Covid-Spezialist Micha[1]el Stingl. Denn Long Covid ent[1]steht besonders o nach milden Co[1]ronaverläufen. Etwa zehn Prozent aller Corona-Infizierten entwickeln Langzeitsymptome wie extreme Er[1]schöpfung, neurologische Probleme, Kopfschmerzen oder Muskelschwä[1]che. Genaue Zahlen, wie viele Long[1]Covid-Erkrankte es bisher in Öster[1]reich gibt, werden laut Stingl nicht erhoben. Bei derzeit an die 11.000 Infektionen pro Tag werde man aber mit täglich mehr als tausend neuen Long-Covid-Fällen rechnen müssen. ÜBERSTEHEN? DIESE WELLE INFRASTRUKTUR KRITISCHE WIRD DIE INFRASTRUKTUR-ELCHTEST Schnarcher und Nichtschnarche kommt. Ging es bei den vorherigen Wellen vor allem darum, die Inten[1]sivstationen nicht zu überlasten, könnte Omikron an anderer Stel[1]le den Kollaps verursachen: Iin der kritischen Infrastruktur. Dann näm[1]lich, wenn sich in kurzer Zeit sehr viele Menschen anstecken oder in Quarantäne geschickt werden. Omi[1]kron, das sei keine Welle, sondern eine Wand, sagt der Komplexitäts[1]forscher Peter Klimek (siehe auch Seite 15). Wohl auch deshalb hat die Regierung vergangene Woche die Quarantäne- und Isolationsbestim[1]mungen bei einer vermuteten oder tatsächlichen Ansteckung deutlich gelockert: Wer sich früher freites[1]ten kann, darf auch schneller wie[1]der arbeiten. Ein Rundruf bei ausge[1]wählten Unternehmen zeigt: Was da auf das Land zukommt, kann nie[1]mand bemessen. Man bereitet sich vor, ohne zu wissen, auf was: Bei den ÖBB arbeiten die Mitar[1]beiter in den Betriebsführungszen[1]tralen und die Triebfahrzeugführer nur noch in getrennten Teams. Jede Strecke hat ein eigenes Betriebsstö[1]rungskonzept, im schlimmsten Fall könnten die Zugpläne ausgedünnt werden. Der Lebensmitteleinzelhandel hat die mobile Eingrei ruppe wie[1]derbestellt, wie sie im ersten Lock[1]down schon im Einsatz war. Sie sollen mögliche Personalengpässe in der Logistik oder in den Super[1]märkten ausgleichen. Und die Ca[1]ritas Wien hat für ihre Pflegeheime und die mobilen Hausdienste eine Liste von zweihundert pensionier[1]ten Pflegekrä en angelegt: Sie kön[1]nen notfalls einspringen. BEI DEN TESTWELTMEISTERN Zur Mimi im Stadtelefant kommt nur noch rein, wer einen aktuel[1]len, negativen PCR-Tests vorweisen kann. Wird das Beispiel des Lokals im Wiener Sonnwendviertel Schu[1]le machen? Deutschland etwa hat, außer in Bayern und Sachsen-Anhalt, eine 2-G-plus-Pflicht in der Gastrono[1]mie gerade eingeführt wenn auch mit der Möglichkeit von Antigen[1]Tests. In Wien kam die Regelung in der Nachtgastronomie und bei Veranstaltungen schon vor Weih[1]nachten. Wegen Omikron wurden die Testkapazitätenin PCR-Quali[1]DIE TESTS AUS? GEHEN UNS tät von 350.00 auf 500.000 Stück pro Tag erhöht. Nur flächendeckend eingesetzte PCR-Tests geben zuver[1]lässig Auskunft über die Verbrei[1]tung einer neuen Variante im Bun[1]desgebiet, sie liefern das für das Pandemiemanagement notwendige Zahlenmaterial. Außer Wien habe aber kein Bun[1]desland ausreichende PCR-Testka[1]pazitäten,sagte der Molekularbiolo[1]ge Andreas Bergthaler am Wochen[1]ende im ORF. Das ist nur ein Pro[1]blem. Das andere: Die Teststrategie müsse auch auf das schnellere Ver[1]breitungstempo von Omikron aus[1]gerichtet werden, meint Bergthaler. Möglicherweise müsste gar die Gül[1]tigkeit der PCR-Tests, die derzeit bei 48 Stunden liegt, überdacht werden. Nur: Täglich testen, da würden die Labore zusammenbrechen. Ganz abgesehen davon, dass es weniger an Testmöglichkeiten denn an Testen[1]den mangelt. In Tirol etwa haben mit rund 4700 Tests pro Woche deutlich we[1]niger gegurgelt, als das Land selbst angenommen hatte. Der Bezirk Kitzbühel meldet gleichzeitig einen Rekord an neuen Infektionen: In den vergangenen sieben Tagen in[1]fizierten sich in dem Skiort 2091 Menschen mit dem Coronavirus. Mögliche Einschränkungen bei PCR-Tests könnten bald für Infi[1]zierte kommen. So denkt man in[1]nerhalb der Gecko daran, dass sich Infizierte nicht mehr jeden Tag tes[1]ten lassen können, weil die vielen positiven Tests die Systeme über[1]lasten. Im Pooling-Verfahren werden immer mehrere Speichelprobenge[1]meinsam befundet, schlägt das Gur[1]gelat an, müssen sie einzeln nach[1]getestet werden. UND WANN? NOCH? IMPFPFLICHT KOMMT DIE IMPFPFLICHT FÜR DUMMIES Begutachtungsverfahren zu ge[1]planten Gesetzen können sehr aufschlussreich sein. Wenn Exper[1]ten oder Nichtregierungsorganisa[1]tionen zum Beispiel Datenschutz[1]bedenken anmelden, Diskriminie[1]rungen einzelner Personengrup[1]pen erkennen oder Probleme bei der technischen Machbarkeit auf[1]zeigen. Seit 1. August 2021 ist es für Bürgerinnen und Bürger deut[1]lich leichter geworden, Stellungnah[1]men im Begutachtungsverfahren ab[1]zugeben. Auch das kann sehr auf[1]schlussreich sein. Zum Beispiel er[1]fährt man, dass bis Montagbeinahe 100.000 Stellungnahmen zum Ent[1]wurf für die Impfpflicht abgegeben wurden. Die Zahl ist irreführend. Der erste Grund: Seit dem Vorjahr kann man nicht nur eigene Stel[1]lungnahmen abgeben, sondern auch fremde Stellungnahmen unterstüt[1]zen. Diese Likes werden mitge[1]zählt. Der andere Grund heißt un[1]ter anderem Peter Gattringer. Ein Mann dieses Namens hat seit De[1]zember alleine 561 Stellungnahmen abgegeben, die mehr oder weniger gleichlautend sind. Weil ich mein LEBEN, meinen Körper liebe, weil ich meine Familie Freunde und Be[1]kannte sehr gern habe, nicht mit ei[1]ner möglichen negativen Nebenwir[1]kung einer Impfung an mir belasten möchte lasse ich mich NICHT imp[1]fen!!! Am Gesetzesvorhaben wer[1]den Gattringers Kommentare nichts ändern. Es gibt aber auch sehr plausible Einwände, nicht zuletzt gegen das geplante Inkrafttreten am 1. Febru[1]ar. Die ELGA GmbH, die für die technische Umsetzungder Elektro[1]nischen Gesundheitsakte zustä dig ist, hat schon Bedenken ange[1]meldet und findet die Frist ambitio[1]niert. Vor April 2022 hält die ELGA GmbH das Vorhaben nicht für mög[1]lich, weil unter anderem auch Men[1]schen ohne Sozialversicherungs[1]nummer, die in Österreich gemeldet sind, erfasst werden müssen. ÖVP[1]Klubchef AugustWöginger bestätig[1]te der Austria Presse Agentur aller[1]dings am Montag, dass die Regie[1]rung weiterhin an ihrem Zeitplan festhalten will. Dieser sieht vor, dass die Impfpflicht ab Anfang Februar gilt. Konsequenzen würden erst spä[1]ter drohen: Wer bis 15. März nicht geimpft ist, muss mit einer Verwal[1]tungsstrafe in der Höhe von 600 Euro rechnen. PANDEMIE-SCHULSTUNDEN Definitiv ja, lautet derzeit die Antwort aller Entscheidungs[1]träger von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) bis zum Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wieder[1]kehr (Neos). Die sogenannte Si[1]cherheitsphase an Schulen wurde vom Bildungsministerium bis zum 28. Februar verlängert. Zumindest so lange werden Schülerinnen und Schüler drei Mal pro Woche getes[1]tet und müssen im Unterricht Mas[1]ke tragen. Das Ministerium schreibt einen PCR-Test pro Woche vor, in Wien werden die Kinder zwei Mal wöchentlich PCR-überprüft.Ab 17. Februar impft Wien auch in den Volksschulen. Kommende Woche werden die Einverständniserklärungen an die Eltern verteilt. Bis dahin kann Omikron in den Schulen aber noch ordentlich wü[1]ten. In Frankreich zählte man ver[1]gangene Woche an einem einzigen Tag 47.000 infizierte Schülerinnen und Schüler sowie etwa 5.600 Leh[1]rerinnen und Lehrer. Fast 10.000 Schulklassen mussten nach Hau[1]se geschickt werden. Um derartige Mega-Ausfälle möglichst zu verhin[1]dern, hat das Bildungsministerium SCHULEN OFFEN? BLEIBEN DIE einen Pool von etwa 1.200 Lehr[1]amtsstudierenden aktiviert, die als Aushilfslehrer einspringen können. Zusätzlich wurden die Quarantäne[1]regeln so verändert, dass eine Lehr[1]kraft, die mit einem positiv Geteste[1]ten Kontakt hatte, weiter im Klas[1]senzimmer stehen darf mit FFP2- Maske und negativem Testergebnis. Ab kommender Woche gehen auch die Schulanmeldungen los. Alleine in Wien kommen etwa 20.000 Vorschulkinder zum Schul[1]reifetest in die Schulen. Ob und wel[1]che Sicherheitsmaßnahmen für die[1]se Tests kommen, werde bis spätes[1]tens Freitag bekannt gegeben, heißt es aus der Bildungsdirektion. Ein Durchrauschen von Omi[1]kron durch die Klassenzimmer hat aber auch gesundheitliche Lang[1]zeitfolgen, warnt Neurologe Mi[1]chael Stingl: Die Corona-Folgeer[1]krankung Long Covid treffe Kin[1]der zwar seltener als Erwachsene, aber auch unter Kindern und Ju[1]gendlichen erkranken zwei bis drei Prozent nach einer Coronainfekti[1]on an Long Covid . GECKO? WAS KANN EXPERTISE IM KONJUNKTIV Abgesehen von der Regierungs[1]umbildung war es die erste sichtbare Amtshandlung des neuen Bundeskanzlers. Mitte Dezember richtete Karl Nehammer (ÖVP) eine neue Stabstelle im Bundeskanzler[1]amt ein: die Gesamtstaatliche CO[1]VID-Krisenkoordination, kurz Ge[1]cko. Auf dem Papier hat Gecko vor allem drei Aufgaben: Prognosenfür die Entwicklung der Pandemie an[1]zustellen, Empfehlungen für die Po[1]litik zu formulieren und ein bun[1]desweit koordiniertes Vorgehen si[1]cherzustellen. Wie das gelingen soll, bleibt ein Rätsel. Das Gremium von mehr als 20 Fachleuten, darunter Si[1]mulationsforscher Niki Popper, So[1]cial-Media-ExpertinIngrid Brodnig und Virologin Elisabeth Puchham[1]mer-Stöckl, hat schlicht nicht die politische Macht, die widersprüch[1]lichen Interessen von Pandemiebe[1]kämpfung, Tourismus und Gastro[1]nomie oder einzelner Bundesländer, unter einen Hut zu bringen. Der bis jetzt offensichtlichste Nutzen: Minister und Bundeskanz[1]ler können sich unangenehme Pres[1]sekonferenzen ersparen. Diese Auf[1]gaben haben nun die oberste Ge[1]sundheitsbeamtin Katharina Reich und Rudolf Striedinger, ein General[1]major des Bundesheeres, übernom[1]men. Das Gecko-Führungsduo soll die Corona-Maßnahmenkommuni[1]zieren. Das Vorbild für die Beset[1]zung von Striedinger dürfte der por[1]tugiesische Vizeadmiral Henrique Gouveia e Melo sein. Der Marine[1]offizier hat mit martialischer Rhe[1]torik die Impfkampagne in Portugal erfolgreich geleitet. Dass Striedinger seine PKs im Tarnfleck absolviert, täuscht nicht darüber hinweg, dass er kaum Kompetenzenhat und die Aura eines niederösterreichischen Verwaltungsbeamten ausstrahlt. Sicher ist: Gecko ist nicht so schnell, wie das Gremium ange[1]sichts der Omikron-Welle sein müsste. Die Verfahrensordnung sei noch nicht ganz klar, sagt eines der Gecko-Mitglieder, für wissenschaft[1]lichen Input, etwa welche Maßnah[1]me welchen Effekt nach sich zieht, hat es an Zeit gefehlt. Wir spre[1]chen meist im Konjunktiv , sagt ein Gecko-Mitglied.