Hare-Krishna-Trommeln und Reichsflagge, Dreadlocks und Glatzen, Springerstiefel und Kinderwagen: Eine ungewöhnliche Melange protestierte vergangenen Samstag auf Wiens Straßen gegen die Corona-Politik der Regierung. Ganz vorn marschierten Rechtsextreme mit riesigen Transparenten, auf denen sie vor „dem großen Bevölkerungsaustausch“ warnten, weiter hinten besorgte Mütter, die ihren Kindern das „Gift“ einer Impfung nicht zumuten können, noch weiter hinten Fans der FPÖ, die einfach nur Dampf ablassen wollten. Eines verband die 40.000 (Angabe der Polizei) bis 100.000 (Angabe der verschiedenen Veranstalter) Menschen dann doch: Herrschaftskritik und die Wut auf das Versagen der Politik. Gäbe es den einen Slogan, auf den sich alle hätten einigen müssen, er hätte wohl „Es reicht“ gelautet. Es war die größte Demonstration seit 2000, dem „Wendejahr“, als 150.000 Menschen auf dem Heldenplatz gegen die schwarz-blaue Regierung protestierten. Historisch war auch der Anlass für den Marsch von vergangenem Samstag.
Vom Musterschüler im Pandemiemanagement zum Schlusslicht beim Impfen in Westeuropa, und nun auch erstes Land im harten Lockdown in Mitteleuropa: Österreichs Politik hat vorgezeigt, wie man es nicht macht. Am Pranger stand vergangenen Samstag aber nicht nur das unmittelbare Versagen der vergangenen 14 Tage, sondern der Politikstil der kurzen Kanzlerschaft des Sebastian Kurz. Populistisch, voller falscher Versprechen und Ankündigungen, hatte der Ex-Kanzler das Land durch die Pandemie geführt
Am Ende steht nun der vierte Lockdown, eine – europaweit einzigartig – staatliche Impfpflicht und ein in sich gespaltenes Land, in dem Impfbefürworter und Impfgegner einander unversöhnlich gegenüberstehen. (…)