Können Sie berechnen, wann die Corona-Pandemie zu Ende ist, Herr Klimek?
Wir können nicht berechnen, wann die Pandemie zu Ende ist. Aber wir modellieren, unter welchen Voraussetzun[1]gen wir ein endemisches Szenario errei[1]chen, also wiederkehrende Infektionswel[1]len erleben, die wir nicht mehr als außer[1]gewöhnliche Belastung empfinden. Wir kön[1]nen auch berechnen, von welchen Faktoren es abhängt, wie hoch die Wellen sind. Wie sich Varianten weiterentwickeln, beispiels[1]weise, wann die passenden Impfstoffe zur Verfügung stehen oder wie lange die Im[1]munität anhält. In der Komplexitätsforschung versuchen wir, Systeme zu verstehen, in denen das gan[1]ze System mehr ist als die Summe seiner Teile. Es geht darum, wie Einzelteile zusam[1]menhängen. Bei der Pandemie zum Beispiel, da sehen wir Infektionswellen, die kommen und gehen. Wir berechnen, wie das indivi[1]duelle Verhalten damit in Zusammenhang steht, also die einzelnen sozialen Kontak[1]te, bei denen es zu Ansteckungen kommen kann. Solche Modellierungen werden in der Physik seit über 100 Jahren betrieben, etwa um zu berechnen, wann Wasser gefriert. Neu ist, dass wir für Sozialsysteme bessere Daten haben, um diese Prozesse zu modellieren. In der Pandemie haben wir zum ersten Mal beobachtet, wie ein hochansteckendes Virus auf eine immunologisch naive Be[1]völkerung trifft, sich ausbreitet und durch Maßnahmen zurückgedrängt wird. Wir ha[1]ben gelernt, wie wichtig es ist, Daten zu ha[1]ben, um Prognosen zu treffen. In Österreich hapert es leider an der Verknüpfung der Da[1]ten. Bei Omikron stellt sich etwa die Fra[1]ge, wie schwer die Verläufe sind, je nach[1]dem, ob man ungeimpft, zwei- oder drei[1]mal geimpft oder genesen ist. Dafür müss[1]te man Daten aus dem Impfpass mit denen te man Daten aus dem Impfpass mit denen des epidemiologischen Meldesystems ver[1]knüpfen und diese wiederum mit den Spi[1]talsdaten. Letzteres ist in Österreich nicht möglich. Hätten wir diese Daten, könnten wir viel früher verstehen, worauf sich Spi[1]täler einstellen müssen. PROTOKOLL: ANNA GOLDENBERG FOTO:APA/HANS PUNZ; ILLUSTRATION: OLIVER HOFMANN Peter Klimek, 39, ist Komplexitätsfor[1]scher und österrei[1]chischer Wissenschafter des Jahres 202