Was nächtliche Ausgangssperren bringen

 

Mitten in der dritten Corona-Welle setzen manche Bundesländer auf Öffnungen, während andere die Maßnahmen verschärfen. Umstritten bleiben dabei die Ausgangssperren.

 

Berlin – Seit knapp einem Jahr bestimmt die Corona-Pandemie das öffentliche Leben in Deutschland. Während die täglichen Fallzahlen und Inzidenzen vielerorts kontinuierlich steigen, stehen zur Eindämmung der laufenden dritten Welle wieder nächtliche Ausgangssperren zur Diskussion. Über deren Wirksamkeit als Maßnahme herrscht jedoch sowohl in der Politik als auch in der Wissenschaft alles anderes als Einigkeit.

Dem Auftritt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bei „Anne Will“ in der ARD am Montag (29.03.2021) zufolge scheint es um eine gemeinsame Strategie von Bund und Ländern zur Eindämmung des Infektionsgeschehens derzeit nicht sonderlich gut bestellt zu sein. Angesichts einer bundesweit auf 135,2 gestiegenen 7-Tage-Inzidenz und der Tatsache, dass seit Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland mittlerweile 76.093 Menschen im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion verstorben sind (Stand 30.03.2021), fallen die Reaktionen der Bundesländer sehr unterschiedlich aus. Die einen erklären sich zu sogenannten Modellregionen und lockern die bestehenden Corona-Maßnahmen, während anderswo bereits Verschärfungen in Kraft getreten sind und in manchen Kommunen wieder Ausgangssperren gelten.

Corona-Maßnahmen in Deutschland – Keine Daten über Wirkung von Ausgangssperren

 

Die Wirksamkeit von Ausgangssperren zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist in Deutschland gegenwärtig allerdings noch durch keine wissenschaftlich validierten Daten belegt. Auf eine Anfrage von „ZDFheute“ nach einer systematischen Auswertung dieser Maßnahme antwortete das Robert Koch-Institut (RKI), dass „hierzu keine Untersuchungen bekannt“ seien. Und auch internationale Studien liefern bislang keine einheitliche Antwort bezüglich der Wirksamkeit von nächtlichen Ausgangssperren.

 

So kommt eine Studie der britischen Universität Oxford zu dem Schluss, dass einfache Kontaktbeschränkungen den größten Effekt auf die Senkung der Corona-Infektionszahlen haben, berichtet das ZDF. Dazu zählten die Schließung von Einrichtungen, in denen Menschen sich näher kämen wie etwa Schulen, Bars, Restaurants oder Fitness-Studios sowie die Begrenzung von Ansammlungen von Menschen auf maximal zehn Personen. „Der zusätzliche Effekt von Ausgangssperren war vergleichsweise gering“, so das Fazit der Studie.

 

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Ausgangssperren zur Corona-Eindämmung: Einschätzungen gehen auseinander

 

Eine internationale Studie von Forschenden des Wiener „Complexity Science Hub“ zur Untersuchung der Wirksamkeit unterschiedlicher Corona-Maßnahmen wiederum zählt Ausgangssperren zu einer der effektivsten Instrumente. Auch Amineh Ghorbani von der Technischen Universität Delft in den Niederlanden geht davon aus, dass die Maßnahme zu einer Verlangsamung des Anstiegs der Infektionszahlen führt. „Im Gegensatz zu einem harten zweiwöchigen Lockdown müssen Ausgangssperren länger in Kraft sein, um effektiv zu wirken“, sagte er gegenüber der „Deutschen Welle“. Er betonte dabei aber auch, alleinige Ausgangssperren seien nicht so wirksam und sollten entsprechend mit weiteren Maßnahmen kombiniert werden.

 

Die Verordnung einer bundesweiten nächtlichen Ausgangssperre hält der Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner von der Universität Augsburg derweil für rechtlich schwer durchsetzbar. Grund dafür sei, dass die Rechtmäßigkeit an die aktuelle Infektionslage geknüpft sei, erklärte er im „NDR“. Eine ab einer als „mäßig“ geltenden Inzidenz von 100 eintretende Ausgangsbeschränkung hält er demnach für rechtswidrig, da dieser bundesweite Wert nicht der unterschiedlichen Intensität des Infektionsgeschehens in den einzelnen Regionen gerecht werde. (Joel Schmidt)

 

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