Drei Wiener Studenten haben ein Klimadashboard konzipiert, das uns die Facetten unserer Treibhausgasemission und deren Auswirkungen in klaren Daten und Fakten vor Augen führt.
In den letzten zwei Jahren sind wir tief versunken in Zahlen und Daten zur Corona-Pandemie. Viele von uns haben regelmäßig die regionalen und nationalen 7-Tage-Inzidenzen, die täglichen Neuinfektionen und aktuellen Impfraten gecheckt. Dafür haben sich als Quelle einige Datenportale und Corona-Dashboards etabliert.
Anders, wenn es um das Klima geht. Wollen wir über unserer Treibhausgasemissionen und deren Auswirkungen reden, erscheint die Informationslage nicht selten als dichte Nebelsuppe, in der man schnell die Orientierung verliert. Wer kennt schon die derzeitige Pro-Kopf-Treibhausgasemission der Österreicher:innen? Wer weiß schon, in welchen Sektoren die meisten Emissionen anfallen? Und wie unterscheiden sich diese Bereiche eigentlich von Bundesland zu Bundesland?
Orientierungshilfe für die Klimakrise
Es war der einfache und transparente Zugang zu den Daten der Corona-Pandemie, der drei Wiener Studenten zu ihrem Klimadashboard inspirierte. Mit-Initiator Johannes Stangl, seines Zeichens PhD-Student am Complexity Science Hub Vienna, spricht von einer „Orientierungshilfe für die Klimakrise“, die er gemeinsam mit Adrian Hiss (Masterstudent für Kognitionsbiologie an der Universität Wien) und dem Designer und Webentwickler David Jablonski auf die Beine gestellt hat. Letzterer arbeitete unter anderem am Impfdashboard des Gesundheitsministeriums mit.
Kennengelernt haben sich die drei im Rahmen der Fridays For Future-Bewegung in Wien, die Stangl mitbegründete. Dieses Engagement war es auch, dass sie spüren gelassen hat, wie aufwendig die Recherche klimarelevanter Kennziffern ist. „Uns war es wichtig, ein Tool zu schaffen, mit dem man sich schnell einen Überblick schaffen kann“, so Stangl. Mit dem Klimadashboard möchte man eine Grundlage für faktenbasierte öffentliche Diskussionen bieten.
Es geht „aufwärts“
Seit der Autor dieser Zeilen das Licht der Welt erblickte, hat sich Österreich um 1,13°C erwärmt. Nun ist er aber noch gar nicht so alt, wie er sich manchmal fühlt. Gerade 31 Jahre haben für diesen Temperaturanstieg von durchschnittlich 7,9 auf 9,03° gereicht.
Was lernen wir noch aus dem Klimadashboard? Etwa, dass Österreich nach einem eklatanten Anstieg des Treibhausgasausstoßes am Verkehrssektor in den 90er-Jahren seit den frühen 2000ern weiterhin keine nennenswerten Fortschritte macht. Dass unsere Emissionen am Energiesektor in den letzten 15 Jahren zwar abgenommen haben, der Industriesektor hingegen bestenfalls stagniert. Dass es im Bereich der Gebäude zwar Fortschritte gab, sich hier aber seit etwa 2014 nicht mehr viel bewegt.
Wir lernen auch, dass Österreich als früh industrialisiertes Land eine historische Verantwortung trägt und wir uns im internationalen Vergleich mit unserem Pro-Kopf-Ausstoß immer noch über dem Durchschnitt bewegen. Ein Aspekt unserer Klimapolitik, dem wir uns schon einmal näher gewidmet haben.
Emissionen: Produktion vs. Konsum
Einer der wohl interessantesten, aber im öffentlichen Bewusstsein zugleich unterrepräsentiertesten Datensätze am Klimadashboard ist die Unterscheidung produktbasierter und konsumbasierter Emissionen. Bekannt sind die produktbasierten Emissionen, also jene, die tatsächlich innerhalb Österreichs entstehen. Die Darstellung konsumbasierter Emissionen bezieht hingegen auch jene mit ein, die in der Herstellung von Gütern anfallen, die nach Österreich importiert werden. Umgekehrt werden die Emissionen von hierzulande hergestellten Exportgütern abgezogen. So wird der Verantwortung des Konsumenten Rechnung getragen. In Zahlen bedeutet das für Österreich: Es ergibt sich in der konsumbasierten Berechnung ein etwa 50 % höherer Treibhausgasausstoß als auf Basis der Produktion.
Der Weg zur Klimaneutralität
Sieht man sich die einzelnen Sektoren und ihren Anteil an den Emissionen an, realisiert man, dass Industrie, Verkehr und Energie die ganz großen Brocken sind. Doch um klimaneutral zu werden, muss ohnehin in allen Bereich angepackt werden. Dabei müsse vor allem die Politik gute Rahmenbedingungen und einen klaren Fahrplan schaffen, erklärt Johannes Stangl. „Es ist nicht so, als ob die Politik schon alles Menschenmögliche getan hätte und jetzt nur noch vor den unlösbaren Problemen stehen würde“, ergänzt Jablonski und verweist auf die großen Hebel, die in den Bundesländern noch vorhanden seien. So sind etwa in Wien die Emissionen vor allem im Verkehrs- und Energiesektor sehr hoch, ebenso wie in Niederösterreich. Während die Steiermark und Oberösterreich aufgrund des dort ausgeprägten Industriesektors an der Spitze der Pro-Kopf-Emissionen stehen. Auch diese Daten hält das Klimadashboard anschaulich bereit.
Ebenso gibt das Klimadashboard einen Einblick, was ganz konkret getan werden muss, damit Österreich seine anvisierten Klimaziele erfüllt. So müssen pro Tag 100 Ölheizungen getauscht werden, um bis 2035 den Ausstieg aus dieser Technologie zu schaffen. Um bis 2040 gasfrei zu heizen, müssen täglich 131 Gasheizungen ersetzt werden.
Optimismus!?
„Vielleicht ist es ein Ausblenden der Realität, aber ja, wir schaffen das noch“, entgegnet Adrian Hiss auf die Frage, ob es der Menschheit noch gelingen werde, die schlimmsten Folgen des Klimawandels abzuwenden. Ein beneidenswerter Optimismus in Anbetracht weiterhin steigender Emissionen, während die angesprochenen großen Hebel meist unangetastet bleiben? „Ich muss da optimistisch sein, sonst könnte ich nicht Stunden um Stunden in dieses Dashboard setzen.“
„Wenn wir es gut machen, diese Transformation, die auch enorm überwältigend ist, dann können wir auch eine Zukunft haben, die lebenswerter ist als unsere Gegenwart oder Vergangenheit“, bringt David Jablonski den ungebrochenen Antrieb der Gruppe auf den Punkt.
Fridays For Future
Weg von der Arbeit am Computer zurück auf die Straßen geht es für Adrian Hiss, David Jablonski und Johannes Stangl spätestens am 25. März wieder. Denn dann ruft Fridays For Future erneut zum weltweiten Klimastreik.