Wie riskant ist das große Lockern?
Alles was am Abend und in der Nacht Spaß macht , könne ab 1. Juli wieder stattfinden. Das versprach Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Donnerstag. Der Hintergrund ist ein freudiger: Die Corona-Situation in Österreich sei deutlich besser als erwartet, die Zahl der Geimpften steigt stetig, jene der Infizierten sinkt. Außerdem teste Österreich so viel wie kein anderes Land, erklärte Kurz gestern einmal mehr. Bei der Bekanntgabe der neuen Lockerungen ging es auch im Kanzleramt entspannter zu. So wurden die Plexiglaswände, hinter denen die Ministerinnen und Minister in den letzten Monaten ihre Auftritte absolvierten, entfernt. Ist die Pandemie vorbei?
“Nein”, lautet die klare Antwort von Komplexitätsforscher Peter Klimek. Hinsichtlich der niedrigen Inzidenz sind die Öffnungsschritte zwar vertretbar. Doch wie man am Beispiel von Großbritannien sehen würde, sei ein genaues Beobachten der Varianten notwendig. “Was die Verbreitung der Delta-Variante betrifft, stehen wir in Österreich am Beginn”, so Klimek. “In Großbritannien hat es zwei Monate gedauert, bis diese Variante dominiert hat, sie wird sich auch bei uns weiter ausbreiten”, sagt Oswald Wagner, Vizerektor der Med-Uni Wien und einer der Experten, der die Regierung berät. Allerdings würden aktuelle Daten zeigen, dass die Impfung auch gegen die Delta-Variante wirkt. “Wenn beide Teilimpfungen erfolgt sind, ist der Schutz genauso groß wie gegen bisherige Mutationen”, sagt Wagner, der an alle appelliert, die noch nicht geimpft worden sind: “Im Juli und August haben wir genug Impfstoff”.
Auch die Ampel-Kommission sieht in der Delta-Variante “ein ernst zu nehmendes Risiko”. Bei weiterer Verbreitung sei ein Fallanstieg bereits im Sommer möglich. Die Öffnungsschritte seien daher engmaschig und kritisch zu überprüfen. Als mahnendes Beispiel gilt neben England auch Lissabon: Die portugiesische Metropole wird ab morgen bis Sonntag abgeriegelt, nachdem es 928 Neuinfektionen mit der Delta-Variante gab. Die Pandemie sei erst vorbei, “wenn wir ein Jahr, also auch Herbst und Winter, ohne Lockdown überstanden haben”, sagt auch Bernhard Lamprecht, Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde am Kepler-Klinikum Linz.
Gesundheitsminister
Wolfgang Mückstein blickt erst einmal einem Sommer wie damals entgegen. Die Öffnungen richten sich speziell an die Jungen, die auf so vieles verzichten mussten. “Jetzt seid ihr dran!”, so Mückstein, der gleichzeitig die ältere Bevölkerung ersucht, sich jetzt mit der Jugend solidarisch zu zeigen. Im Detail sind die neuen Öffnungsschritte:
Maskenpflicht:
Ab 1. Juli braucht man für den Gasthaus- und Hotelbesuch keine Maske mehr. In Geschäften, öffentlichen Verkehrsmitteln, Museen und geschlossenen öffentlichen Orten darf ab Juli anstelle einer FFP2- Maske auch ein herkömmlicher Mund-Nasen-Schutz getragen werden. Ab dem 22. Juli ist der Mund-Nasen-Schutz dann nur noch in Öffis und Geschäften des täglichen Bedarfs vorgeschrieben. In Pflegeheimen und Spitälern bleibt die FFP2-Maskenpflicht aufrecht. Gastronomie: In allen Lokalen fällt mit 1. Juli die Sperrstunde (bisher um 24 Uhr). Die Registrierungspflicht bleibt (wie überall wo die 3-G-Regel gilt) bis 22. Juli. Gäste müssen keine Masken mehr tragen. Ob das auch für Mitarbeiterinnen gilt, ist noch nicht klar. Die Regeln für das Personal werden erst übers Wochenende finalisiert.
Clubs und Discos:
Die seit Mitte März 2020 geschlossene Nachtgastronomie darf ab 1. Juli wieder aufsperren, auch zum Tanzen und Trinken an der Bar. Bis 22. Juli gilt noch eine Kapazitätsbeschränkung von 75 Prozent Auslastung, danach dürfen die Türen wieder ganz geöffnet werden. Sport und Kultur: Mit 1. Juli entfallen die Beschränkungen (zugewiesene Sitzplätze, Besucherbegrenzung, 10m2-Regelung) für Events in Kultur und Sport. Auch für gastronomisches Angebot gibt es keine Vorschriften mehr. Übrig bleibt nur eine Anzeigepflicht ab 100 Personen und eine Bewilligungspflicht ab 500 Personen und die 3-G-Regel ab 100 Besuchern.
Private Feiern:
Ab 1. Juli gibt es keinerlei Abstands-, Kontakt und Maskengebote mehr für Freundestreffen, Geburtstags- und Hochzeitsfeiern und sonstige private Zusammenkünfte. Auch die Regelung, dass indoor maximal acht Personen und outdoor maximal 16 Personen mit einem Meter Abstand und Maske zusammenkommen dürfen, entfällt ersatzlos.