Brief an den Gesundheitsminister: Warnruf der Landesspitäler
Die Chefs der Spitäler warnen die Politik vor zu raschen Öffnungsschritten. Nur Infektionszahlen, die auf Dauer niedrig sind, entlasten die Intensivstationen.
Warnung vor dem Kollaps der Spitäler Österreichs Spitalschefs fordern in einem gemeinsamen Brief nachhaltige Absenkung der Infektionszahl. Aber auf welchen Wert?
Von Michael Jungwirth
Österreichs Krankenhausbetreiber schlagen Alarm: In einem gemeinsamen Brief an Gesundheitsminister Rudolf Anschober warnen die Betreiber der öffentlichen Spitäler vor zu raschen Öffnungsschritten. Nach Ende des Lockdowns am 6. Dezember sollten Maßnahmen gesetzt werden, die das Infektionsgeschehen reduzieren und auf einem niedrigen Niveau halten. Nur so würden die Spitäler, insbesondere deren Mitarbeiter, entlastet werden.
Der Brief, der der Kleinen Zeitung vorliegt, trägt die Unterschrift der Chefs der neun Spitalsträger, darunter Kabeg (Kärnten) und Kages (Steiermark). Der Brief ist, so der Stand gestern Abend, im Büro von Gesundheitsminister Anschober noch nicht eingetroffen. Am Mittwoch will die Bundesregierung dann bekannt geben, wie es nach dem Lockdown weitergeht. Nach einem Rekordwert von mehr als 9586 Neuinfektionen am 13. November liegt die Zahl derzeit bei durchschnittlich rund 4500 Fällen Tendenz glücklicherweise und logischerweise (Folge des Lockdowns) fallend.
Die zweite Welle habe die öffentlichen Krankenhäuser bis an den Rand der Leistungsfähigkeiten geführt, heißt es in dem Schreiben. Ausdrücklich begrüßen die Chefs der neun Krankenanstaltenverbände den Lockdown. Zwar seien bereits “erste erkennbare Wirkungen” zu sehen, allerdings sei eine “deutliche und nachhaltige Absenkung der Infektionszahlen und damit der Hospitalisierungsquote dringend nötig”.
Niedrige Zahlen seien für eine “schrittweise Aufnahme eines Normalbetriebs unumgänglich”. Den Spitalschefs, ist bewusst, dass alle Maßnahmen “in die Gewohnheiten und Erwartungen der Bevölkerungen an ein normales Gesellschaftsleben” eingreifen, insbesondere in der Vorweihnachtszeit.
Bereits in den letzten Tagen hatten die Spitzen der Regierung Hoffnungen auf rasche Öffnungsschritte nach Ende des Lockdowns gedämpft. Bundeskanzler Sebastian Kurz warnte im Interview mit der Kleinen Zeitung vor übereilten Öffnungsschritten . Nach dem 7. Dezember müsse man mit “massiven Einschränkungen rechnen”.
Gesundheitsminister Anschober erklärte gestern, die Regierung werde “sehr vorsichtig” bei der Öffnung sein. Bekanntlich sollen nur wenige Bereiche, darunter Schulen und Geschäfte, wieder aufsperren, Gastronomie, Hotels, der Sport und Kulturbereich müssen sich noch gedulden. So gesehen dürfte die Bundesregierung den Appell der Spitalsbetreiber als Bestätigung für den eingeschlagenen Kurs werten.
Dreistellig.
Von der Politik erhält man derzeit keine Antwort, ab welchem Wert welche Lockerung möglich wäre. Komplexitätsforscher Stefan Thurner vom Complexity Science Hub Vienna (CSH), der die Regierung berät, deutet gegenüber der Kleinen Zeitung an, dass die Zahl der Neuinfektionen auf ein dreistelliges Niveau (unter 1000) gedrückt werden sollte. Nur so könne die Nachverfolgung der Kontakte, die in Österreich im Oktober zusammengebrochen ist, wieder aufgenommen werden.
“Von Entspannung kann keine Rede sein. Die Lage ist zu ernst, sie erfordert noch Einschränkungen bis zur Impfung.” Arnold Gabriel, Vorstand der Kabeg, der Kärntner Landeskrankenanstalten