Bundeskanzler Sebastian Kurz rechnet wie berichtet mit 1000 am Coronavirus-Erkrankten noch Ende dieser Woche und schon bald darauf mit dem Überschreiten der 10.000er-Grenze. Aufgrund der Inkubationszeit von bis zu zwei Wochen dauert es, bis die von der Regierung gesetzten Maßnahmen zur Einschränkung der Sozialkontakte wirken – so sie überhaupt wirken.
Die vom Coronavirus ausgelöste Erkrankung greift in erster Linie die Lunge an und kann – selten, aber doch – zu einem Versagen des Organs führen.
Bei den Intensivpatienten ist eine Beatmung notwendig. Dafür braucht es neben Sauerstoff auch ein Beatmungsgerät und das dafür entsprechend ausgebildete Personal. Es gibt derzeit rund 2500 Intensivbetten in Österreich, 600 davon in Wien. Während die Zahl der Beatmungsgeräte zumindest bis zu einem gewissen Grad aufgestockt werden kann und bei nicht ganz so schwerwiegenden Fällen auch mobile Geräte zum Einsatz kommen könnten, könnte das Personal den Engpass darstellen.
Zwei Forscher vom “Complexity Science Hub Vienna” berechneten laut “Wiener Zeitung”, dass in zwei Wochen die Kapazitätsgrenze erreicht sein könnte, sollten die Maßnahmen der Regierung keine Wirkung zeitigen.
Gerüchte
“Undenkbar” ist es laut Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), dass zur Eindämmung der Corona-Erkrankungen Ausgangssperren verhängt werden. Auch das Innenministerium warnte Donnerstagabend in einer Aussendung davor, Falschmeldungen in den Sozialen Medien über angebliche Maßnahmen Glauben zu schenken.
Im Lauf des Donnerstags hatten Gerüchte über angeblich bevorstehende völlige oder nächtliche Ausgangssperren oder Quarantänezonen auf Facebook, Twitter etc. die Runde gemacht – von denen angeblich bekannte Polizisten erzählt hätten. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) appellierte “an das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen, keine Gerüchte – ob mündlich oder über elektronische Kommunikationsdienste – zu verbreiten”.
Ausgangssperren würden “uns nicht weiterbringen” im Kampf gegen das Coronavirus, sagte Hacker in der “ZiB2” am Donnerstagabend und bestätigte dies auch im “Ö1-Morgenjournal” Freitagfrüh. Gefragt seien ruhige, bedächtige Maßnahmen – und eine ordentliche Abwägung der Konsequenzen.
Heute berät die Regierung mit den Landeshauptleuten über weitere Maßnahmen.
Der Wiener Gesundheitsstadtrat Hacker will dabei auch ein anderes Problem ansprechen, das gelöst werden muss: Mit den zahlreichen Grenzschließungen und Reisebeschränkungen könnte die 24-Stunden-Pflege in Österreich schwer getroffen werden. 60.000 Menschen aus östlichen Nachbarländern – etwa aus Tschechien oder aus der Slowakei – seien derzeit hiezulande im Einsatz. Dürfen sie die Grenzen nicht mehr überschreiten, hätte Österreich “schlagartig” ein riesiges Problem, stellte Hacker fest – und forderte deshalb “sofort Maßnahmen, damit diese Menschen weiter unbehindert die Grenzen passieren können”.
Für die Versorgung der Corona-Kranken habe Wien vorgesorgt, versicherte der Stadtrat: Mit der “Umschaltung” von 500 Betten und den bestehenden 200 könnten in der Bundeshauptstadt 700 schwer kranke Corona-Patienten versorgt werden.
PROBLEME MIT 24-STUNDEN-PFLEGE
Wirtschaftskammer, Sozial- und Außenministerium beraten derzeit, wie man mit dem drohenden Engpass in der 24-Stunden-Betreuung aufgrund der Corona-Krise umgehen wird. An die 60.000 Menschen aus den östlichen Nachbarländern sind derzeit in Österreich im Einsatz. Sie könnten aufgrund der Reisebeschränkungen eine Lücke im Pflegesystem hinterlassen.
Der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hatte bereits am Donnerstag davor gewarnt, dass mit den zahlreichen Grenzschließungen und Reisebeschränkungen die 24-Stunden-Betreuung in Österreich schwer getroffen werden könnte. Dürfen sie die Grenzen nicht mehr überschreiten, hätte Österreich “schlagartig” ein riesiges Problem, stellte Hacker fest – und forderte deshalb “sofort Maßnahmen, damit diese Menschen weiter unbehindert die Grenzen passieren können”.
Es gelte rasch personellen Ersatz zu finden, sagte Birgit Meinhard-Schiebel von der Interessengemeinschaft pflegender Angehöriger im Ö1-“Mittagsjournal”. Die drohenden Ausfälle stellten eine “gewaltige Herausforderung” dar. Meinhard-Schiebel plädierte für eine Ausnahmeregelung, etwa die Grenzen für Betreuer und Betreuerinnen aus dem Osten offen zu lassen. Zudem müssten Ersatzmöglichkeiten geschaffen werden.
Auch die Österreichische Gesellschaft für Krisenvorsorge warnte vor einem anstehenden Problem durch fehlende Pflegekräfte. Durch die Ausfälle wäre das österreichische Gesundheitssystem zusätzlich belastet. Dies müsse durch eine rasche dezentrale Selbstorganisation und Nachbarschaftshilfe zu bewältigen sein, die auf lokaler und regionaler Ebene organisiert werden muss.