Datenschutz: ÖAW und Thurner sehen Gesetz positiv

Die Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Komplexitätsforscher und “Wissenschafter des Jahres 2017”, Stefan Thurner, sehen den erleichterten Zugang zu in staatlichen Datenbanken gespeicherten Informationen durch das geplante neue Forschungsorganisationsgesetz positiv. Für Thurner handelt es sich bei der Novelle um ein “gutes, durchdachtes Gesetz”.

 

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Ab 2019 sollen Wissenschafter im In- und Ausland auf staatliche Datenbanken zugreifen und die dort gespeicherten Informationen auswerten dürfen. Auch für kommerzielle Forschung sieht die Novelle Möglichkeiten des Zuganges vor. Thurner argumentierte in einer der APA vorliegenden Stellungnahme, dass diese Regelung “einen unregulierten Zugang zu personenbezogenen Daten und Wildwuchs eben nicht zulässt”.

Die Nutzung personenbezogener Daten für die Forschung unterliege “strengsten Auflagen, die in der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) festgelegt sind”, so der Präsident des Complexity Science Hub (CSH) Vienna und Leiter des Instituts für die Wissenschaft komplexer Systeme an der Meduni Wien. “Hier eine mögliche missbräuchliche Verwendung à la Cambridge Analytica herbeizureden, ist unredlich und aus Forschungssicht auf das Schärfste zurückzuweisen.” Und: “Seit Jahren sprechen alle von personalisierter Medizin. Aber ohne personenbezogene Daten ist die nicht machbar.”

Die ÖAW sieht “die Balance zwischen Recht auf Datenschutz und Freiheit der Forschung” durch das Gesetz gewährleistet und betrachtet die Öffnungsklausel “als wichtige Maßnahme, um den bestmöglichen Schutz personenbezogener Daten mit dem gesetzlich verankerten Grundrecht der Freiheit von Wissenschaft und Forschung in Einklang zu bringen”. Wissenschaftliche Arbeit hänge im 21. Jahrhundert maßgeblich vom Zugang zu Daten ab.

Auch die Leiterin der Abteilung für Studien und Statistik in der St. Anna Kinderkrebsforschung, Ruth Ladenstein, verteidigt die Novelle des Forschungsorganisationsgesetzes. Für nötig hält sie sowohl die Registerforschung, als auch die von Datenschützern kritisierten langen Speicherfristen für Forschungsdaten und – unter bestimmten Bedingungen – den Zugriff auf das ELGA-System.

Die Datenschutzbehörde hat zuletzt festgehalten, dass die EU-Datenschutzgrundverordnung eine unbegrenzte Speicherung persönlicher Daten ausschließt. Ladenstein plädiert im Gespräch mit der APA aber zumindest für eine lebenslange Speicherung und geht davon aus, dass die EU-Vorgaben (Art. 5 DSGVO) das auch möglich machen.

Als Beispiel nennt Ladenstein den Lymphknotenkrebs bei Kindern. Hier habe man erst durch Langzeitstudien über 40 Jahre entdeckt, dass im Kindesalter bestrahlte Patientinnen später ein massiv höheres Brustkrebsrisiko aufweisen. Darauf konnte mit dem weitgehenden Verzicht auf Strahlentherapie reagiert werden. Eine solche Langzeitbeobachtung “muss auch in Zukunft durch eine unbeschränkte Datenspeicherung ermöglicht werden”, sagt Ladenstein.

Für nötig hält die Krebsspezialistin aber auch den Zugriff auf Teile des ELGA-Systems. Wobei Ladenstein aber davon ausgeht, dass dieser Zugriff nur erfolgen dürfte, wenn die betroffenen Patienten zugestimmt haben. “Wir dürfen auf diese Daten nur zugreifen, wenn der Patient eingewilligt hat.” ELGA grundsätzlich für wissenschaftliche Forschung zu sperren, wäre aus Ladensteiners Sicht falsch, “weil wir sonst einen Datensilo erzeugen”. Damit würde die lebenslange Begleitung chronischer Erkrankungen erschwert.

Als Beispiel nennt Ladenstein den für Krebspatienten geplanten “Survivorship Passport” (SUPA). Der soll via ELGA eine “sehr kondensierte Zusammenfassung der Krankengeschichte” der Patienten aber auch personalisierte Nachsorgeempfehlungen zur Verfügung stellen. Behandler könnten damit bessere Entscheidungen im Sinne der Patienten treffen. Über eine datenschutzkonforme Datenübermittlung können Ärzte dann die Ergebnisse der Langzeitbeobachtung im Zusammenhang mit der individuellen Therapielast ermitteln, um Therapien laufend zu optimieren, so Ladenstein.