Wie es mit Corona weitergeht

 

Wann kann die Welt wieder aufatmen? Diese Frage haben der renommierte Komplexitätsforscher Stefan Thurner und sein Team exklusiv für die Krone bunt beantwortet.

 

Für uns sind es Bilder wie aus einem fernen Leben: Hunderte Menschen feierten im April auf dem legendären Times Square in New York eine Party. Und was für eine! Ohne Masken wurde bis in die frühen Morgenstunden die Unabhängigkeit des Staates Israels besungen. Abstand halten? Unmöglich! So fühlt es sich also an, wenn eine Metropole wieder aufatmet. Ein ähnliches Bild bietet schon seit Wochen London, wo in den Außenbereichen der Pubs laut gefeiert wird.

 

Es ist die Impfung, die Erleichterung verschafft, und so steigt mit jedem Geimpften die Aufbruchsstimmung trotz mitunter hoher Infektionszahlen, wie es in Teilen der USA noch immer der Fall ist. Auch bei uns wird es merklich besser. Am Mittwoch öffnen endlich die Lokale, das von uns allen so vermisste soziale Leben beginnt wieder. Doch wie lange dürfen wir uns darüber freuen?

 

Dieser Frage sind exklusiv für die Krone bunt renommierte Forscher der MedUni Wien nachgegangen, allen voran Stefan Thurner, Leiter des Complexity Science Hub Vienna, und sein Kollege Johannes Sorger. Sie haben sich anhand der weltweiten Impfrate der letzten 30 Tage angesehen, wie es mit den Plänen einzelner Länder weitergeht, und ein Zukunftsszenario für Ende 2021 erstellt (siehe Weltkarte unten).

 

AB DURCHIMPFUNG VON 50% SINKT IMPFBEREITSCHAFT

 

Grün bedeutet, dass die Impfrate mit etwa 70 Prozent hoch sein wird und die Lage daher entspannt, bei Gelb ist Vorsicht geboten (Impfrate bei unter 50 Prozent), Orange und Rot heißen kritisch bzw. gefährlich, da zu wenige Menschen geimpft sind. Für die grau gekennzeichneten Länder sind keine ausreichenden Daten vorhanden. “Ab einer Durchimpfung von etwa 50% sinkt, so unsere Annahme, die Impfrate aufgrund fehlender Impfbereitschaft in der restlichen Bevölkerung um 40%”, erklärt Sorger. Insgesamt sehe es vor allem für Amerika und Europa sehr gut aus im Gegensatz zu anderen Teilen der Erde. “Wird nicht bald mehr geimpft, bleibt es in Afrika und vielen Ländern Asiens und Südamerikas auch Ende 2021 kritisch”, sagt Sorger. Reiche Staaten müssten armen Ländern nun dringend Impfstoff spenden, um die Situation zu entschärfen.

 

WIR MÜSSEN BEI DER EINREISE STRENG BLEIBEN

 

Neben der Impfung spielt natürlich eine überstandene Infektion eine entscheidende Rolle. Weltweit waren bereits mehr als 160 Millionen Menschen infiziert, davon sind rund 95 Millionen schon genesen (3,3 Millionen starben). Die natürliche Immunisierung in den einzelnen Ländern ist höchst unterschiedlich. Stimmen die Dunkelzifferannahmen, liegt sie in manchen Staaten gar bei zwanzig Prozent und mehr, was maßgeblich dazu beiträgt, die Herdenimmunität (mindestens 80 Prozent) rascher zu erreichen.

 

So erfreulich die Zukunft vor allem für Europa aussieht: “Wir müssten jetzt streng bleiben”, betont Thurner. Wir dürfen das Virus und damit verbunden mögliche Mutationen nicht wieder einschleppen. Daher empfiehlt der Tiroler Forscher auch für das kommende Jahr einen PCR-Test als Voraussetzung für die Einreise nach Österreich und unmittelbar nach der Ankunft noch mal einen. Solange nicht die ganze Welt auf, Grün steht, sind diese Vorsichtsmaßnahmen wichtig. Ein wesentliches Kriterium ist hier auch der viel diskutierte Sieben-Tage-Inzidenzwert. “Erst wenn dieser unter 50 liegt, also wenn es weniger als 50 neue Fälle pro Woche und pro hunderttausend Einwohner gibt, können wir uns wieder richtig entspannen”.

 

Das würde bedeuten, endlich auch die lästigen Masken fallen zu lassen. Epidemiologen halten dieses Szenario im Frühling 2022 für durchaus wahrscheinlich. Die Frage ist freilich, ob das nur für Geimpfte gelten wird oder auch Genesene und Getestete ohne Maske einkaufen dürfen. Noch ist es nicht so weit (siehe Österreich-Kasten). Entscheidend wird zudem sein, ob neue Mutationen auftreten und die Impfung hilft.

 

Fazit: Impfung und natürliche Immunisierung bringen unser altes Leben zurück, aber wahrscheinlich nicht das Ende von Corona. Das Virus ist gekommen, um zu bleiben. Die wahrscheinlichste Annahme ist, dass es 2022 deutlich zurückgedrängt wird und wir es ähnlich dem Grippevirus in den Griffbekommen. Das bedeutet endlich wieder Partys feiern und mit Freunden Konzerte besuchen. Und plötzlich fühlen sich die eingangserwähnten Bilder gar nicht mehr an wie aus einem fernen Leben.

 

Der Tiroler Stefan Thurner ist einer der bekanntesten Komplexitätsforscher der Welt