Die Regierungsszenarien für einen Lockdown

Rechtliche Voraussetzung ist der drohende Kollaps des Gesundheitssystems, und das könnte im Dezember so weit sein

 

Szenarien.

Die Infiziertenzahlen steigen, und wieder geht das Gespenst eines bevorstehenden Lockdowns um. Doch wie der KURIER berichtete, kann Österreich nicht auf Bestellung von wem auch immer zugesperrt werden. Es gibt dafür ein klares gesetzliches Kriterium: Der Gesundheitsminister darf ein allgemeines Ausgehverbot und großflächige Betretungsverbote nur verhängen, wenn nur noch mit diesen drastischen Maßnahmen ein Zusammenbruch des Gesundheitssystems verhindert werden kann. In dem Fall muss er aber sogar zu den drastischen Mitteln greifen.

 

Ein drohender Kollaps des Gesundheitssystems wird danach bemessen, wie viele der 2.000 Intensivbetten belegt sind. Wie berichtet gilt als magische Grenze, dass 40 Prozent, also 800 Betten, mit Corona-Patienten belegt sind. Derzeit sind 145 Betten
von Corona-Patienten besetzt.

 

Das Dezember-Szenario

 

Der KURIER erfuhr nun erstmals Szenarien aus der Regierung, wann diese damit rechnet, dass die 800-Betten-Grenze erreicht sein könnte: Anfang bis Mitte Dezember, wenn die Zahlen weiter so steigen, wie es derzeit der Fall war. Damit würde der Lockdown mitten ins Weihnachtsgeschäft platzen. Möglicherweise ist das der Hintergrund, warum immer wieder gestreut wird, der Lockdown sei von der Regierung früher, nämlich im November, geplant, um das Weihnachtsgeschäft zu retten.

Nur: Das wäre rechtswidrig. Die kritische Frage ist bei alledem, wie stark und schnell die Zahl der täglichen Neuinfektionen ansteigt. Bleibt sie – und auch die Altersverteilung der Infizierten – auf dem derzeitigen Niveau, bestehe kein Grund für einen Lockdown; die kritische Grenze von 800 mit Corona-Patienten belegten Intensivbetten werde so nicht erreicht, erklärt Simulationsforscher Niki Popper.

 

Brenzlig wird es allerdings, wenn die Zahl der Neuinfektionen zwei Wochen lang täglich einen Wert zwischen 5.000 und 8.000 erreicht, haben Forscher des Complexity Science Hub errechnet. Laut Komplexitätsforscher Peter Klimek sei ein großflächiger Lockdown zwar nicht morgen oder nächste Woche” vonnöten, längerfristig sei ein solcher Zuwachs der Infektionen aber nicht auszuschließen. Bedenken müsse man zudem, dass sich die Infektionen nicht gleichmäßig über das ganze Land verteilen. Auch bezieht sich der kritische Wert von 5.000 bis8.000 Neuinfektionen pro Tag auf die aktuelle Altersverteilung. Kommt es etwa vermehrt zu Clustern in Altersheimen, seien die Intensivstationen schon früher ausgelastet, sagt Popper.

 

Im Kanzleramt weist man jedwede Lockdown-Planung von sich. Der Kanzler hat gerade erst gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober Maßnahmen verkündet, die noch nicht einmal in Kraft getreten sind. Sie gelten ab Freitag dieser Woche. Die Regierungsspitzen hoffen, dass die Maßnahmen dazu angetan sind, die Steigerungsratenbei den Infiziertenzahlen zu brechen. Es bleibt abzuwarten, ob sich der gewünschte Erfolg einstellt.

 

Sollte dieser ausbleiben und sollten die Zahlen ungebremst steigen, könnte es tatsächlich kritisch werden und Österreich das Schicksal wie Irland oder Tschechien drohen. Dort wird bereits wieder zugesperrt.