Lockerungen mit Zutrittstests: wegen Erfolgs verlängern?
Die Bundesregierung berät am Montag über weitere Öffnungen. Das Infektionsgeschehen gibt diese eher nicht her. Aber der Druck ist groß.
Als die Bundesregierung die ersten Öffnungsschritte mit den Landeshauptleuten verhandelte, sprach Wiens Bürgermeister Michael Ludwig offensiv davon, dass man ein Risiko eingehe. Die Lockerungen wurden mit Zutrittstests verbunden, sie sollten den durch die Öffnungen verringerten Lockdown-Effekt kompensieren.
Rund ein Monat später ist die Infektionslage jedoch unklar wie schon lange nicht. In Vorarlberg ist die Inzidenz auch mit den Öffnungen von Handel und Schulen gesunken, und zwar beinahe auf den Zielwert von 50. Allerdings sieht es nun auch in Vorarlberg so aus, als würde sich dort der Trend zu drehen beginnen. Im Osten ist dies schon vor Wochen passiert.
Die Öffnungen sind nur ein Faktor, der negativ auf das Infektionsgeschehen wirkt. Und würde nur der Wildtyp grassieren, der ganz Europa im Herbst beschäftigte, wäre die Situation wohl eine andere. Das Prognosekonsortium im Gesundheitsministerium hat errechnet, dass die effektive Reproduktionszahl der “alten Variante” unter der kritischen Größe von 1 liegt. Liegt die Reproduktionszahl darüber, verbreitet sich das Virus exponentiell.
Das Problem heißt gegenwärtig vor allem B.1.1.7, wurde erstmals in Großbritannien festgestellt und verbreitet sich gerade munter auf dem ganzen Kontinent. Laut dem Virologen Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) ist diese Variante im Osten Österreichs bereits zu bis zu 60 bis 70 Prozent verbreitet, im Westen immerhin auch zu 40 bis 50 Prozent. Es ist daher zu erwarten, dass die Infektionszahlen in Vorarlberg und Tirol auch jene Entwicklung nehmen wie in Wien, Niederösterreich und im Burgenland.
“Die Varianten sind das Problem”
Das wirkliche Problem sind diese Varianten , sagt Physiker und Komplexitätsforscher Peter Klimek. Er ist auch Mitglied des Prognosekonsortiums. Aus der Wissenschaft finden sich derzeit wenige Stimmen, die sich für weitere Öffnungen aussprechen. Zu fragil, zu unsicher ist die Lage. Doch genau diese Frage der Lockerungen wird sich am Montag wieder stellen, wenn die Bundesregierung in Sachen Corona-Management zusammentritt. “Wir müssen über Ostern hinaus denken. Das ist eine realistische Perspektive”, sagt Klimek. In den fünf Wochen bis dahin werden Hunderttausende geimpft, es wird wärmer, man kann das Sozialleben nach draußen verlagern, was einen großen Unterschied machen dürfte. “Bis dahin müssen wir eher drum kämpfen, die bisherigen Öffnungen zu halten”, sagt Klimek.
Andererseits ist die Politik einem zunehmenden Druck ausgesetzt, zumal sie selbst nicht müde wird, die Idee der Öffnungen samt Zutrittstests als großen Erfolg zu verkaufen. Was die Friseure dürfen, wollen andere nun auch die Wirte, die Touristiker, Unis, der Sport, die Kultur. Tatsächlich testet Österreich auch so viel wie kaum ein anderes Land, und auch das fließt in die Fallzahlen, deren 7-Tages-Wert am Freitag auf fast 1.900 stieg. Das bedeutet eine Inzidenz von 150. Erklärbar ist der Anstieg aber allein durch das erhöhte Testaufkommen nicht, und zwar nicht einmal ansatzweise.
“Pro Tag testen sich nicht einmal zwei Prozent der Bevölkerung”, sagt Klimek. Das mag viel sein, ist aber für einen epidemiologischen Effekt viel zu wenig. Die Gastronomen sagen, ein Aufsperren würde die Test-Bereitschaft weiter erhöhen, und das ist durchaus plausibel. Andererseits: “Gerade die Gastro ist ein Hochrisikobereich”, sagt Klimek. Am Montag wird die Bundesregierung eine Antwort auf diese Frage finden müssen, und zwar eine, die nicht nur für eine Woche hält. Das ist die zusätzliche Erschwernis.