Österreich lockert, Lauterbach prognostiziert Kanzler Kurz: „Das werden dort viele mit dem Leben bezahlen“
„Kein Beispiel für uns“ – Karl Lauterbach lehnt die Lockerungen in Österreich rigoros ab. Seine Meinung zu den Öffnungsplan im Nachbarland hat sich gewaschen.
München – Österreich war zum Beginn der Corona-Pandemie Deutschland immer einen Schritt voraus. Das Nachbarland überraschte in der ersten Welle Anfang März mit Grenzkrontrollen, dann rief Österreichs Kanzler Sebastian Kurz den Lockdown aus. Die Alpenrepublik feierte sich als Musterschüler im Kampf gegen Corona. Nun ist das wohl alles Vergangenheit.
Österreich kämpft weiter mit Infektionszahlen und Corona-Mutationen, will aber aus dem aktuellen Lockdown raus. Diese aktuellen Lockerungs-Pläne in Österreich kritisiert SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach scharf.
„Kein Beispiel für uns.“
„Österreich lockert in die B117 Welle hinein“, twittert der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Dann spart der Epidemiologe nicht mit drastischen Worten: „Das werden dort viele mit dem Leben bezahlen, wenn man es ehrlich beschreiben darf. Zum Schluss wird dann wieder ein Lockdown kommen, für den sich die Verstorbenen nichts kaufen können…“. Lauterbachs-Fazit zu Österreichs Corona-Strategie: „Kein Beispiel für uns.“
Mit „uns“ ist natürlich Deutschland gemeint. Lauterbach warnt vor der 3. Welle. Er befürchtet sogar die 3. Corona-Welle lasse sich nicht mehr aufhalten, wenn der Lockdown aufgehoben wird. Dabei seien es vor allem die Corona-Mutationen, die das Infektionsgeschehen schon Mitte März in Deutschland wieder ansteigen lassen. Auch Deutsche Intensivmediziner fordern einen verlängerten Lockdown bis wenigstens Anfang April. „Sonst wird die 3. Welle nur sehr schwer oder überhaupt nicht beherrschbar sein“, sagte DIVI-Chef Prof. Dr. med. Gernot Marx bei einer Videoschalte. Seine Aussage belegte der Mediziner mit verschiedenen Szenarien eines neuen Prognose-Modells.
Corona in Österreich – So ist die aktuelle Lage
Zurück zu Österreich: Die 7-Tage-Inzidenz liegt momentan in Österreich bei 161,2 laut dem Covid-19-Dashboard der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) (Stand: Montag, 14.00 Uhr). Zum Vergleich in Deutschland liegt die 7-Tage-Inzidenz momentan bei 65,4. Das geht aus den Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) hervor.
Am höchsten ist die 7-Tage-Inzidenz derzeit in Niederösterreich (194,1) und im Burgenland (192,2). Am niedrigsten ist der Wert in Vorarlberg (73,3) und Tirol (105,1).
Österreich – 7-Tage-Inzidenz
- Niederösterreich – 194,1
- Burgenland – 192,2
- Wien – 185,7
- Salzburg – 181,8
- Kärnten – 174,4
- Steiermark – 156,5
- Oberösterreich – 130,0
- Vorarlberg – 73,3
- Tirol – 105,1
Das Gesundheits- und das Innenministerium haben 1.409 neu registrierte Coronavirus-Fälle innerhalb der letzten 24 Stunden gemeldet (Stand: Montag, 9.30 Uhr). Landesweit starben laut AGES bisher 8.437 Personen an oder mit Covid-19.
Die Reaktionen auf Lauterbachs-Tweet sind geteilt. Einige weisen Karl Lauterbach daraufhin, dass die Corona-Todesfälle in Österreich „ständig fallen“. Bei dem Thema Lockerungen in Österreich und Deutschland heben sie die Testzahlen in den beiden Ländern hervor.
„Ein Grund ist natürlich, dass bei uns viel mehr getestet wird. Das heißt, dass die deutsche und die österreichische Inzidenzzahl nicht vergleichbar sind. Ein anderer Grund ist, dass D die Curve geflattet hat und ein großer Teil der Todesfälle nur nach hinten verschoben wurde“, kommentiert ein Twitter-Nutzer.
Andere dagegen pflichten dem SPD-Politiker bei. Sie befürchten, dass der Präsenzunterricht in den Schulen negative Folgen auf das Infektionsgeschehen haben, auch Todesfälle nach sich ziehen könnte. In Deutschland pendeln sich die Corona-Fallzahlen auf einem hohen Niveau ein. Indes sind erste Details vom Corona-Gipfel mit Merkel durchgesickert. Auch hier deuten sich Lockerungen an.
Der österreichische Komplexitätsforscher Peter Klimek bezeichnete die Öffnungen in der Alpenrepublik mit Blick auf die Infektionszahlen und die Ausbreitung der Corona-Mutationen als „hochriskant“. „Anscheinend ist die Strategie, das Virus mit unvorhersehbaren Öffnungsschritten zu verwirren“, erklärte der Forscher des Complexity Science Hub Vienna (CSH) und der Medizinischen Universität Wien sarkastisch gegenüber APA.
Man sehe in Österreich in den vergangenen Wochen einen starken Anstieg der britischen Virus-Variante B.1.1.7. „Es ist aus meiner Sicht nicht nachvollziehbar, warum diese Information nicht so ernst genommen wird, wie sie es eigentlich verdienen würde“, sagte Klimek. Dadurch, dass die Virus-Varianten das Infektionsgeschehen bereits übernommen haben, befinde man sich bereits in einer dritten Welle. (ml) *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA