Die Zeichen stehen auf „harten“ Lockdown
Von Peter Schöggl
Die Regierung gibt am Samstag neue Maßnahmen bekannt. Das Zahlenchaos durch Serverprobleme gefährdet Prognosen.
Noch bevor die Zahlen des Vortages eintrudelten, hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober bereits einen sprunghaften Anstieg der Corona-Neuinfektionen angekündigt. Doch von etwaigen Verschärfungen der aktuellen Maßnahmen war nicht die Rede, Anschober verwies lediglich auf die nun geplante Prüfung der Auswirkungen des „leichten“ Lockdowns: „Ich habe immer gesagt, wir werden nach zehn Tagen beginnen zu evaluieren. Wir haben heute Tag zehn.“ Jetzt wird also beraten und diskutiert werden – wobei es ohne Verschärfungen wohl nicht gehen wird. Die Zeichen stehen auf „harten“ Lockdown, die Verkündigung dürfte Samstagnachmittag erfolgen.
Der Minister gab jedoch zu, dass Serverprobleme die Arbeit der Statistiker erschweren. Seit Tagen klagen die Bundesländer über Verzögerungen im Epidemiologischen Meldesystem (EMS). Diese Probleme seien nun zwar behoben, es werde aber noch zu Nachmeldungen kommen, sagte Anschober. Mehr als 10.000 neue Fälle schafften es bis gestern Früh schließlich ins EMS. Das öffentlich einsehbare „Dashboard“ der Ages berücksichtigt dabei den Tag der Labordiagnose, nicht jenen der Meldung. Dadurch lässt sich dort die Zahl der Nachmeldungen erkennen. 8469 Neuinfektionen werden dem Mittwoch zugeordnet, 1105 dem Vortag, fünf Fälle gehen sogar auf den 27. Oktober zurück.
Schuld an diesen Problemen sind die Server, auf denen das EMS läuft. Durch die enorme Zahl an Meldungen sowohl positiver als auch negativer Tests seien die Server derart ausgelastet gewesen, dass es zu Verzögerungen gekommen sei, erklärt das Gesundheitsministerium. Es wird aber versichert, dass die Kapazitäten laufend erweitert würden und durch die Verzögerungen keine Meldungen verloren gegangen seien. Eine Nachfrage, wie hoch diese Kapazitäten derzeit sind und wieso sie nicht früher erhöht wurden, blieb unbeantwortet.
Scharfe Kritik war zuvor von Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) gekommen: Ihm hätte die Ages mitgeteilt, dass das Meldesystem nur darauf ausgelegt sei, „7000 Salmonellenfälle im Jahr“ zu dokumentieren – nicht für eine Pandemie des aktuellen Ausmaßes.
Auch von wissenschaftlicher Seite gibt es heftige Kritik an den Verzögerungen: „Wenn die Fälle erst nach Tagen dem Diagnosedatum zugeordnet werden, dann weiß ich alles viel zu spät“, sagt Erich Neuwirth. Der emeritierte Statistik-Professor liefert auf seinem Blog covidanalysen.at und den 18.500 Twitter-Followern täglich Analysen der aktuellen Zahlen. Einerseits aus eigenem Interesse, wie er sagt, andererseits auch, weil keine öffentliche Stelle Ähnliches anbiete. Während Neuwirths Analysen lediglich der Information dienen, haben jene des Complexity Science Hubs (CSH) tatsächliche Auswirkungen. Der CSH liefert der Regierung Modelle, Simulationen und Prognosen und fordert in einem offenen Brief eine massive Verbesserung der Datenlage: „Wenn es wie derzeit zu massiven Fehl- und Nachmeldungen der Behörden kommt, wird es zunehmend unmöglich, selbst das gegenwärtige Infektionsgeschehen und das der nahen Vergangenheit abzubilden, geschweige denn, zukünftige Fallzahlen zu prognostizieren.“