Stelzer: “Wir waren auf uns alleine gestellt”
Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer über den schwierigen Umgang mit Corona-Clustern in seinem Land. Er mahnt die Bundesregierung, rasch österreichweit einheitliche Krisenpläne für den Herbst vorzulegen.
Oberösterreich hat mit Corona-Clustern zu kämpfen. Eine Ihrer Maßnahmen dagegen, für die Sie sehr kritisiert wurden, war die Schließung von Schulen und Kindergärten. Sogar Bildungsminister Faßmann war damit unzufrieden. Musste das sein?
In dem Fall war die Entscheidung so zu treffen. Ich verstehe voll und ganz, dass die Eltern äußerst angespannt waren. Aber der Cluster war zu Beginn so unübersichtlich, es waren Familien mit sehr vielen Kindern im Spiel, sodass wir nicht verlässlich voraussagen konnten, wie stark sich das ausbreiten wird. Daher war der einzige Weg, kurzfristig Schulen und Kindergärten in fünf Bezirken zu schließen.
Studien sagen, dass Kinder im Infektionsgeschehen keine so große Rolle spielen. Die Eltern haben daher das Gefühl, ihnen fehlt -im Gegensatz zur Wirtschaft – die Lobby, darum fährt man über sie drüber.
In diesem Fall waren kinderreiche Familien der Ursprung des Clusters. Aber bei allen Maßnahmen, die wir wegen Corona setzen müssen, wird es wahrscheinlich immer Leute geben, die sagen, das ist uns zu viel.
Haben Sie die Lage in Oberösterreich nun im Griff?
Bei allem, was wir mit Corona erleben mussten, ist die Formulierung “im Griff haben” sehr groß gegriffen. Aber wir sehen, dass wir ein unkontrolliertes Anwachsen eindämmen konnten, auch weil rasch wieder die Maskenpflicht eingeführt haben. Aber die Krankheit ist nicht weg. Die sitzt immer mit am Tisch.
Minister Faßmann will großflächige Schulschließungen im Herbst verhindern. Sehen Sie das jetzt auch so?
Je punktgenauer man Maßnahmen setzen kann, desto besser. Aber, was wir für den Herbst schon dringend brauchen, sind österreichweite Vorgaben, wie man im Bildungsbereich mit Corona umgeht. Bildung ist eine Bundeskompetenz – wir Länder wollten ja mehr Verantwortung, aber der Bund wollte das nicht. Also muss der Bund jetzt verlässliche Regelungen schaffen.
Warum ist das nicht längst passiert?
Es arbeiten sehr viele Menschen daran, Regeln zu schaffen. Aber wir haben in Oberösterreich erlebt, dass wir sehr schnell handeln mussten und relativ auf uns alleine gestellt waren. Klar ist, nachdem diese Herausforderung länger bleibt, dass es einheitliche Regeln für Bildung, Tourismus, den Handel geben muss.
Sie hätten sich in den letzten Wochen mehr Support vom Bund gewünscht?
Ausgerechnet an jenem Tag, als es österreichweit Lockerungen gab, mussten wir in Oberösterreich gegenteilige Maßnahmen setzen. Das Ampelsystem wurde überhaupt erst Tage, nachdem wir neue Herausforderungen hatten, angekündigt. Auch die Reiserückkehrer, besonders vom Westbalkan, die uns sehr beschäftigen, weil sie kleinere Cluster auslösen, sind eigentlich eine bundesweite Herausforderung. Ich bin daher froh, dass der Bund jetzt Verschärfungen an den Grenzen vornimmt. Denn wenn die Reiserückkehrer einmal in Oberösterreich sind, haben sie ja schon einiges an Bundesgebiet durchquert.
Die Bundesregierung hat schon viel angekündigt, ist die Umsetzung zu langsam oder zu wenig konsequent?
Bei uns war es so, wir mussten handeln und es gab dafür noch keine Checklisten.
Warum warnen Sie, aber auch Mitglieder der Bundesregierung so explizit vor Menschen, die aus den Ländern des Westbalkans nach Österreich zurückkommen? Die größte Zuwanderergruppe sind Deutsche und dort gibt es auch größere Corona-Cluster. Wird mit zweierlei Maß gemessen?
Ich kann nur von den Zahlen in Oberösterreich ausgehen: Die Mehrzahl der Erkrankten, die aus dem Ausland zurückkommen, kommt vom Westbalkan, aus Deutschland kommen nur vereinzelt Fälle. Das Thema, das sich auch stellt, sind die Busse, mit denen Mitarbeiter aus dem Ausland nach Österreich gebracht werden. Die müssen wir bei uns kontrollieren, mit sehr eingeschränkter rechtlicher Handhabe. Denn sobald sie im Bundesgebiet sind, können wir keine Quarantänemaßnahmen mehr setzen. Hier im Hinterland können wir nur mehr Verwaltungsstrafen aussprechen. Darum habe ich so auf konsequentes Handeln an der Grenze gedrängt.
Das heißt, man soll Grenzkontrollen nicht nur ankündigen und negative Corona- Tests vorschreiben, sondern rascher handeln?
Vor allem, wenn man wieder Länder definiert, wo man sagt, es gibt ein Risiko und daher Reisewarnungen.
Ihr burgenländischer Amtskollege Hans Peter Doskozil hat in News geschildert, dass er während der Reisewarnung nach Deutschland zu Verwandten gefahren ist, alle Formulare ausgefüllt hatte – aber niemand wollte sie sehen.
Ich kann nur sagen, in Oberösterreich wurde an den Grenzen sehr viel kontrolliert. Das hat ja auch zu einigem Unmut geführt, weil Oberösterreich und Bayern ein Lebens-und Wirtschaftsraum sind.
Verbesserungswürdig scheint das Tempo aber auch in Oberösterreich zu sein: Es gibt den Fall eines Fleischers, der seine Mitarbeiter auf eigene Kosten testen ließ, weil die Tester des Landes erst mit tagelanger Verspätung gekommen wären. Bei Tests und Contact-Tracing geht es aber sehr ums Tempo.
Seit wir diese höheren Fallzahlen haben, testen wir sehr viel. Bis zu 2.000 pro Tag. Aber es gibt immer Verbesserungsbedarf, das will ich gar nicht wegreden. Zum Tracing muss ich sagen: Da sind wir sehr stark auf die Kooperation der Betroffenen angewiesen. Da gibt es alles – von Sprachbarrieren bis zur Unwilligkeit. Unsere Leute sind aber darauf angewiesen, was ihnen erzählt wird oder nicht.
Wird in Oberösterreich die Polizei beim Contact-Tracing eingesetzt? Nicht alle Bundesländer finden das gut.
Sie unterstützt uns, darf aber nicht nach dem Gesundheitszustand fragen. Sobald es darum geht, muss jemand aus der Bezirksverwaltungsbehörde übernehmen. Darum finde ich es unverantwortlich, dass eine entsprechende Gesetzesänderung im Bundesrat acht Wochen auf die Wartebank geschoben wurde.
Man könnte auch die Gesundheitsbehörden personell aufstocken.
Ja, das stimmt. Aber auf der anderen Seite gibt es eben jene Leute, die nicht kooperationsbereit sind. Da ist es schon gut, wenn jemand weiß, wie man eine Befragung durchführt und zu Informationen kommt.
Soll das heißen: ein Verhör?
Nein, aber man muss zielgerichtet fragen, da geht es um Tempo und den Schutz der Bevölkerung. Das ist ja kein Privatvergnügen.
Der Bund gab zuletzt wieder Corona-Maßnahmen vor, etwa die allgemeine Maskenpflicht. Wieweit stimmen sich der Bundeskanzler und der Gesundheitsminister vorab mit den Ländern ab? Was sind Ihre Wünsche an Kurz und Anschober?
Wir sprechen viel, auch über den Balanceakt, den wir vor uns haben: dass wir gesundheitssichernde Maßnahmen setzen, aber gleichzeitig so viel Schwung und Lebensfreude in der Bevölkerung haben, dass die Wirtschaft Chancen hat und wir Arbeitsplätze sichern. Das wird noch über Monate ein schwieriger Tanz auf dem Drahtseil sein.
Kritik hört man am Plan der Regierung, alle Mitarbeiter im Tourismus testen zu lassen. Hoteliers klagen, es gebe keine Richtlinien, was passiert, wenn ein Test positiv ist. Ist das nur ein PR-Schmäh, um Gäste ins Land zu holen?
Wir haben auch festgestellt, dass da einiges nicht in den Hotels angekommen ist. Die größte Sicherheit, die man Touristen bieten kann, ist, dass wir schnell und konsequent handeln, wenn ein Corona-Fall auftritt. Wir haben in Oberösterreich Pläne gemacht, was passiert, wenn jemand erkrankt. Etwa, wo gibt es Ersatzquartiere für Quarantänefälle?
Also angenommen, an einem See tritt in einem Hotel ein Corona-Fall auf: Was passiert?
Das will ich mir lieber nicht vorstellen.
Haben Sie aber offenbar, wenn es einen Plan gibt.
Wichtig ist auch hier das Tempo: Mit wem war die Person in Kontakt? Und diese Gruppe dann abzusondern. Wenn es ein Gast ist, muss man entscheiden: Kann der auf direktem Weg heimfahren, unterschreibt er, dass er das tut, oder muss er untergebracht werden?
Die Corona-Ampel für Europa, die vom Complexity Science Hub in Wien entwickelt wurde, sieht Österreich auf Gelb, während etwa Italien, Frankreich und Deutschland auf Grün stehen. Ist Österreich doch nicht so sicher?
Ich glaube, das kann sehr schnell hin-und hergehen, und, dass man auch bei Grün sehr vorsichtig sein muss. Solange die Krankheit da ist, kann sich überhaupt keine Region und kein Land sicher fühlen.
Die Bundesregierung hatte zum Höhepunkt des Lockdowns unwirklich gute Umfragewerte. Jetzt sinkt die Zustimmung, viele Leute sind frustriert. In Israel, das anfangs vom Bundeskanzler als Vorbild präsentiert wurde, gibt es große Proteste gegen Netanjahu, wenn auch nicht nur wegen Corona. Wie schätzen Sie die Entwicklung in Österreich ein?
Umfragen wandern auf und ab. Die Leute schauen darauf, ob die Regierenden ihre Verantwortung wahrnehmen. Man kann die Maßnahmen dann mögen oder nicht, aber das Messkriterium ist: Ihr müsst entscheiden. Nachdem die Herausforderung weltweit besteht, kann man vergleichen, wer wie agiert. Da kann sich Österreich im Vergleich durchaus sehen lassen.
Nach früheren Wirtschaftskrisen sind rechtspopulistische Parteien gewachsen, in Österreich nach 2008 die FPÖ. Wird das wieder so sein?
Diese Krise wird sicher Einfluss auf die politische Landschaft haben und auch Veränderungen bringen. Aber man kann die Corona-Krise nicht mit früheren Wirtschaftskrisen vergleichen. Sie ist ein massiver Einschnitt für jeden. Die Sicherheit und der selbstverständliche Wohlstand, den unsere Generation gewohnt war, sind eben nicht mehr selbstverständlich. Zu wissen, auch für uns kann es nach unten gehen, ändert viel im Bewusstsein. Daher kann man politisch keine Schlüsse ziehen.
Wir könnten nach Corona eine andere politische Landschaft haben?
Jene, die Regierungsverantwortung haben und ihre Entscheidungen zeitgerecht und hoffentlich richtig treffen, haben durchaus weiter ihre Chancen. Aber natürlich gilt das auch für alle, die als Kritiker auftreten. In Summe bin ich aber schon überzeugt, dass die Menschen klar differenzieren, wer eine Krise politisch ausnützen will und wer ein Land sicher und hoffentlich gestärkt durch die Krise führen will und kann.
Die SPÖ könnte in Zeiten einer sozialen Krise wieder erstarken.
Wir haben in den letzten Monaten und Jahren gesehen, wie schnell politische Entwicklungen gehen, und dass es für praktisch keine Partei Sicherheit gibt.
Voriges Jahr um diese Zeit haben wir über das Ibiza-Video und den Absturz der FPÖ gesprochen. Heuer haben wir den Ibiza-U-Ausschuss, der den Verdacht des Postenschachers und politischer Gegengeschäfte untersucht. Und die ÖVP ist in den Fokus der Untersuchungen gerückt.
Ich glaube, dass das leider in der Natur unserer politischen Landschaft liegt, dass sich immer alle auf den oder die Erste einschießen. Der zweite Teil der damaligen Koalition ist nicht mehr in Regierungsverantwortung. Aber ich mach mir da keine Sorgen, dass nicht diejenigen wieder in den Mittelpunkt rücken, von denen diese eigentümlichen Vorgänge ausgegangen sind.
Apropos: Sind Sie eigentlich froh, dass in der Corona-Krise nicht Herbert Kickl und Beate Hartinger-Klein Ihr Gegenüber im Innen-und Gesundheitsministerium sind?
(Lacht.) Ich habe mir angewöhnt, immer mit den Verantwortungsträgern, die es gibt, zu kooperieren und zu Entscheidungen zu kommen.
Der U-Ausschuss hat gezeigt, dass es im ÖVP-geführten Finanzministerium ein gewisses Eigenleben gibt und z. B. Privatisierungspläne für das Bundesrechenzentrum oder Glückspiel-Gesetzesnovellen gewälzt werden, von denen der Koalitionspartner gar nichts weiß. Passiert das, wenn ein Ressort zu lange einer Partei zuzuordnen ist?
Zu den aktuellen Dingen kann ich von außen nichts sagen. Aber klar ist auch, dass jene, die die Verantwortung für Finanzen tragen, gewisse Szenarien entwickeln müssen, die dann zur Entscheidung hingelegt werden. Das ist die Verantwortung von guten Mitarbeitern in der Verwaltung.
Was soll am Ende dieses U-Ausschusses stehen?
Das kann man einfach auf den Punkt bringen: Wenn der Staat Unternehmen hat, dann gehört es zur politischen Verantwortung, dort Entscheidungen zu treffen. Dabei darf aber zu keiner Sekunde irgendwie der Eindruck entstehen, man kann mit Geld darauf einwirken. Wenn diese beiden Eckpunkte festgelegt werden, wäre das ein wünschenswertes Ergebnis des U-Ausschusses.
Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker wünscht sich ausgeweitete Prüfrechte für Parteifinanzen.
Die gibt es ja schon. Auch wir müssen dem Rechnungshof die Finanzen vorlegen. Und es gibt ja rechtliche und politische Möglichkeiten, das zu verfolgen und zu kontrollieren, wie eben jetzt den U-Ausschuss. Aber auch da geht es immer um Menschen: Die handeln, die machen Fehler, die handeln leider nicht immer so, wie sich der Rechtsstaat das vorstellt. Das ist in allen Berufsgruppen so und leider offensichtlich auch in der Politik.
Das ist mir jetzt zu abgeklärt: In der Politik geht es um öffentliche Mittel und Gesetzwerdungsprozesse. Sollte man da nicht strengere Maßstäbe anlegen und nicht einfach sagen, dubiose Vorgänge gibt es halt überall?
Das stimmt sicher. Es sind überall Menschen am Werk. Ich glaube nur, dass kein Berufsfeld so öffentlich agieren muss und so unter Beobachtung steht wie die Politik. Ich bin für Transparenz, wenn man die weiterentwickeln will, sicher auch mit uns. Man sollte nur nicht den Grundverdacht haben, überall, wo Politiker am Werk sind, muss man gleich entsprechendes Misstrauen haben. Die überwiegende Mehrheit in der Politik macht eine gute, verantwortungsvolle Arbeit.
Hätten Sie ein Problem damit, wenn der Rechnungshof in Ihre Bücher schauen darf? Die Bundesregierung arbeitet ja an einem Transparenzpaket.
Für mich sind die momentanen Regelungen ausreichend. Die sind ja erst in den letzten Jahren verschärft worden.
Hans Peter Doskozil hat im News-Sommerinterview ein Verbot von Parteispenden aus der Wirtschaft gefordert. Wären Sie dafür?
Wenn Spenden transparent sind und ab einer gewissen Höhe gemeldet werden, ist nichts gegen sie einzuwenden. Wobei ich in Oberösterreich sagen muss: Wir haben nahezu keine Spenden.
Wie beurteilen Sie den Auftritt von Finanzminister Gernot Blümel im U-Ausschuss? Gezählte 86 Erinnerungslücken, er weiß nicht einmal, ob er einen Laptop hatte. Welches Bild zeichnet er da eigentlich von sich?
Der Finanzminister hat so geantwortet, wie er das für richtig und verantwortungsvoll hält. Und er hat eine große Aufgabe in wirtschaftlich unübersichtlichen Zeiten: im Herbst ein genaues Budget vorstellen zu müssen. Das ist die Messlatte, auf die ich gespannt bin.
Er wird das sicher gut machen. Er muss auch in den Wiener Wahlkampf. Ist das nicht ein bissl viel in wirtschaftlich unübersichtlichen Zeiten?
Ja, die Politik hat große Herausforderungen
Stichwort Budget: Sie haben in den letzten Jahren einen strengen Sparkurs Richtung Nulldefizit verfolgt. Scheitert das auch an Corona?
Das ist eine wirklich schlimme Entwicklung. Wir haben in Oberösterreich durch meinen Kurs in den letzten drei Jahren eine halbe Milliarde Schulden abgebaut. Nun werden wir durch Mindereinnahmen und Ertragsanteilen, die nicht kommen, ungefähr diesen Betrag verlieren. In einem Jahr! Ich glaube, dass unser Weg der richtige war, weil wir dadurch schneller ein Hilfspaket von 580 Millionen Euro schnüren konnten. Unsere Bonität passt. Es wird auch wieder die Zeit kommen, wo wir Schulden abbauen. Für mich ist der Nullschuldenkurs unterbrochen, aber nicht beendet.
Sie sagten, 500 Millionen in nur einem Jahr. Wie viele solcher Jahre wird es geben?
Wenn man den Forschern glauben darf, haben wir im nächsten Jahr wieder ein Wachstum. Aber es wird ja nicht nur bei diesen Mindereinnahmen bleiben. Wir müssen gleichzeitig investieren und werden im Herbst sicher noch ein Hilfsprogramm brauchen, wo es um Investitionen und Anschübe geht. Das wird uns heuer im nächstes Jahr massiv fordern.
Wann wird das Budget am Vor-Corona-Stand sein?
Da möchte ich mich auf keine Vorausschau einlassen. Da ist der Status viel zu unsicher.
Politiker betonen gerne, dass Österreich so günstig Kapital aufnehmen könne. Diese Schulden müssen ja dennoch zurückgezahlt werden. Dazu gibt es die Forderung nach einer Solidarabgabe.
Ich halte es für den falschen Ansatz, jetzt Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen. Auch wenn das bitter für einen öffentlichen Haushalt ist: Jetzt brauchen wir steuerliche Erleichterungen. Eine Solidarabgabe würde ja auch ganz viele Unternehmerfamilien treffen, die ihr Geld im Unternehmen haben und Risiko übernehmen. Da halte ich es für ein falsches Signal, zu sagen, das muss belastet werden.
Wie soll sich das dann ausgehen? Steuererleichterungen, keine Solidarabgaben, Leistungskürzungen werden Sie vermutlich auch nicht ankündigen wollen.
Genau das ist die Riesenchallenge, in die wir in Sekundenschnelle hineingekommen sind. Jetzt müssen wir einmal aus der Krise herauskommen und Arbeitsplätze sichern. Dann geht es darum, wie wir es schaffen, die öffentlichen Haushalte wieder zu konsolidieren. Es wäre eine Mammutaufgabe und zu viel erwartet, wenn wir das auf einmal vorlegen sollten.
Warum kann ein Politiker eigentlich nicht einfach sagen: Ich weiß es nicht?
Das darf man sagen. Ich habe im Finanzausschuss gesagt: Ich kann vom heutigen Stand ausgehen, aber Corona hat uns leider gelehrt, dass unsere Prognosemodelle auf den Kopf gestellt wurden.
Heißt: Wir wissen nicht, wann die Krise vorbei ist.
Aus heutiger Sicht kann das niemand wirklich beantworten.
Das Interview ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 30/2020) erschienen!