“Eine unfassbare Entwicklung, die man zugelassen hat”
WIEN. Komplexitätsforscher Peter Klimek fordert Entscheidungen, die in Richtung Impfpflicht gehen.
Für den Komplexitätsforscher Peter Klimek sind die harten Lockdowns in Oberösterreich und Salzburg das bittere Ende einer “unfassbaren Entwicklung, die man zugelassen hat”. Für das Mitglied des nationalen Prognosekonsortiums gab es noch nie im Lauf der Pandemie eine “so extreme Ausnahmesituation”.
Das sei eine Folge der schon im Frühjahr zögerlichen Reaktion der Politik auf erneut hohe Zahlen: “Die Bremsspur war jetzt so lang, dass sie in der Wand geendet hat.” Klimek sprach auch die Aussage von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (VP) vom Juni an, wonach die Pandemie für Geimpfte vorbei sei. Nun kippe man in Richtung harter Lockdowns. Solche Extreme gelte es aber zu vermeiden.
“Ob wir bundesweit einen harten Lockdown brauchen, ist eine Strategiefrage”, so der Wissenschafter vom Complexity Science Hub Vienna. Im Gegensatz zu den anderen Bundesländern gebe es in Wien und im Burgenland eine abnehmende Rate an positiven Testungen. Dort funktioniere also die Testinfrastruktur noch. Die Dynamik sei in diesen beiden Ländern nicht so systemgefährdend.
“Strategie für den Winter”
Von “Entwarnung” will Klimek aber auch in Wien und im Burgenland nicht sprechen, weil die dortigen Intensivbettenkapazitäten womöglich bald auch von anderen Bundesländern benötigt würden.
Abseits der “Kopfspiele” über harte Lockdowns da oder dort fordert der Forscher von der Politik eine “Strategie für den Winter”. Nur so gebe es Klarheit, “wie wir nach den Maßnahmen weitermachen wollen”. Letztlich werde sich vieles um die Frage einer wie auch immer gearteten Impfpflicht drehen. “In die Richtung muss man auch Entscheidungen treffen. Denn das ist für die längerfristige Perspektive die viel wichtigere Frage”, wenn man nicht genau dort landen möchte, wo Österreich jetzt steht.
Zurückhaltung bei Schulen
Zurückhaltend bleibt Klimek, wenn es um Schulschließungen im Zuge der Lockdowns geht. Für ihn sind “von allen Settings die Schulen jenes, um das wir uns die wenigsten Sorgen machen müssen”.
Dort werde durch das mühsam aufgebaute Testsystem die Situation zumindest einigermaßen kontrolliert. Außerdem gewinne man dabei wertvolle Rückschlüsse auf die Dynamik der Infektionslage, sagte Klimek.