Angst vor 3. Welle
Ein Kampf gegen die Zeit: Impfung gegen die Ausbreitung der Mutanten, die als 3. Welle hereinzubrechen droht.
Es waren Öffnungsschritte, die dem wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Druck geschuldet waren. Experten befürchten, dass der Preis zu hoch war.
Heimtückisch.
Es war eine trügerische Hoffnung, dass wir mit Impfbeginn auch gleich das Ende der Pandemie einläuten würden. Das Virus reagierte heimtückisch und mit Varianten, die den Albtraum andauern lassen.
Allen voran die britische Variante B.1.1.7. und die südafrikanische Mutante B.1.351. Die eine überrollte gleich einmal Großbritannien oder Portugal mit weltweit höchsten Inzidenzzahlen, die andere nistete sich im heimischen Tirol ein und treibt die Politik wie einen Spielballvor sich her. Und das Mutanten-Szenario zeigt ein düsteres Bild: Die Varianten sind ansteckender als der Virus-Wildtyp, Impfstoffe scheinen schwächer zu wirken, bereits einmal Erkrankte stecken sicherneut an und wie im Fall Israel weicht B.1.1.7. auch aus. In dem Land mit hoher Durchimpfungsrateinfiziert es nun nämlich offenbar mehr Kinder.
Experten warnen eindringlich: Auf uns rollt ein Tsunami zu
„Bis nicht auch die jüngere Bevölkerung immunisiert ist“, heißt es etwa vom renommierten Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung im deutschen Braunschweig, „wird uns die Impfung nicht helfen, die Infektionsdynamik zu entschleunigen“.
Die durchgängige Prognose der Virologen, Epidemiologen, Mediziner und Forscher lautet: Bei Lockerungen drohe ein Desaster.“ Auf Österreich bewegt sich ein Tsunami zu“, sagte etwa Mikrobiologe Ulrich Elling, der tausende positive PCR-Proben sequenziert hat. „Die Zahlen werden schneller als bisher vermutet ansteigen“, sagt Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien.
B.1.351 breitet sich dort aus, wo Menschen bereits immun sind
Bereits im März müsse damit gerechnet werden, dass die Virusvariante B.1.1.7. dominant sein werde, und auch die Südafrika-Mutation B.1.351 werde sich ausbreiten. Und das vermehrt dort, wo bereits viele Menschen immun sind siehe Beispiel Tirol, wo es auch schon mehrere Fälle von Wiederansteckung gibt. Auch die Brasilien-Variante P.1 gehört zu den, wie sie Wissenschafter nennen, Fluchtmutanten. Wenigstens für P.1 gibt es zumindest bis dato bei uns noch keinen Nachweis.
Weckruf.
Komplexitätsforscher Peter Klimek (siehe Interview) drückt es in Hinblick auf notwendige Mutanten-Maßnahmen so aus: „Vielleicht braucht es erst wieder stärker steigende Infektionszahlen für einen Weckruf“. Angesprochen auf das viel zitierte Licht am Ende des Tunnels hofft aber auch Klimek für die Zukunft: Das wahrscheinlichste Szenario ist momentan, das Covid endemisch wird, also örtlich begrenzt auftritt und saisonal wiederkehrt. Mit einem Mix an Schutz durch natürliche Immunität und Impfungen sollten diese Wellen dann aber gering genug werden, um keine Lockdowns mehr notwendig zu machen.
Harald Brodnig
Klimek: Die dritte Welle läuft bereits
Komplexitätsforscher Peter Klimek über den Kampf gegen die Mutanten.
Insider: Herr Professor Klimek, wie sieht Ihr Bild der Lage aus?
Peter Klimek: Die dritte Welle läuft bereits. Wir haben momentan zwei Pandemien. Nämlich jene mit der vorangegangenen Virusvariante und die zweite Pandemie mit Varianten der N501Y-Mutation. Diese Varianten haben in vielen Regionen das Infektionsgeschehen übernommen und werden zu weiter steigenden Fallzahlen führen.
Insider: Waren die Öffnungsschritte ein Fehler?
Klimek: Die Öffnungsschritte ergaben sich aus einer politischen Lage aufgrund des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Drucks. Dass sie der Pandemiebekämpfung nicht dienlich sind, steht genauso außer Frage. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir wieder Teile der Öffnungsschritte zurücknehmen müssen.
Insider: Wie kann der Kampf gegen die Mutanten aussehen?
Klimek: Alle Maßnahmen, die gegen die bisherigen Varianten wirksam waren, sind es auch gegen die Varianten. Mit einem Lockdown, der ähnlich stark wie der erste im März 2020 wirken würde, ließen sich auch diese neuen Varianten kontrollieren.
Insider: Bleibt der Kampf ein Wettlaufgegen die Zeit?
Klimek: Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, bei dem sich zusätzlich die Ziellinie jederzeit verschieben kann. Die südafrikanische Variante entgeht vermutlich teilweise der Immunantwort. Die beste Vorsorge, um solche Varianten auszubremsen, ist es, die Infektionszahlen insgesamt möglichst gering zu halten.
Insider: Ist im Frühling eine Besserung zu erwarten?
Klimek: Die Studienlagelegt in der Tat nahe, dass wärmere Temperaturen hilfreich sind, auch weil sich Viruspartikel dann weniger lange in der Luft halten können. Wir haben aber auch gesehen, dass Länder, die mit einer relativ hohen Inzidenz in den Sommer gegangen sind, etwa die USA oder Schweden, trotz wärmerer Jahreszeit die Fallzahlen nicht so weit runterbringen konnten, wie wir es in Österreich geschafft haben. Ein Selbstläufer wird das also nicht. Spielentscheidend wird sein, dass wir die Zahlen so weit unter Kontrolle halten können, dass wir mithilfe wärmerer Temperaturen mit einer Niedriginzidenzdurch den Sommer gehen können und damit die Entstehung neuer Varianten so weit auszubremsen, bis wir dann einen Großteil der Bevölkerung durchgeimpft haben.