Vorerst versucht man bloß, die Verbreitung über das Land hinaus mit einer Verlängerung der Ausreisetests unter Kontrolle zu bringen. Als Vorbild nimmt sich die Regierung Vorarlberg, das ja schon seit einigen Wochen unter anderem die Gastronomie geöffnet hat. Dass das nicht unheikel ist, zeigen die aktuellen Zahlen des Krisenstabs. Die Infektionen in Vorarlberg gehen nämlich immer deutlicher nach oben.
Ob am Ende die Öffnung bundesweit stattfindet und welche Branchen sich darauf vorbereiten dürfen, soll am Nachmittag von der Regierung und dem Vizerektor der MedUni Wien, Oswald Wagner, der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Masken, Registrierung und Sperrstunde
Ziemlich sicher scheint, dass mit 19. Mai und damit an einem Mittwoch der Betrieb in den Gasthäusern und Restaurants wieder startet. Dabei wird Masken- und Registrierpflicht gelten, als Sperrstunde ist 22.00 Uhr im Gespräch. Zudem wird ein Test nötig sein, an einem Tisch werden bloß vier Personen (plus Kinder) gestattet sein, und es wird größere Abstände zwischen den Tischen geben.
Ähnliche Regeln sind im Tourismus vorgesehen. Bei Veranstaltungen, vor allem im Kultur- und Sportbereich, werden die Kapazitäten wohl zumindest im Inneren nur zur Hälfte genützt werden dürfen. Zudem wird keine Bewirtung bei den Events erlaubt.
Der „Grüne Pass“ dürfte erst Ende Mai als Eintrittskarte genützt werden können. Die Öffnungsschritte sollen dann einige Wochen beobachtet werden. Ist die Entwicklung günstig, könnten im Juni weitere Lockerungen kommen. Erst dann ist etwa die Öffnung von Fitnessstudios eine Option. Die Nachtgastronomie wird wohl noch länger auf Öffnungsschritte warten müssen. Schon länger offen hat der Handel in sieben von neuen Bundesländern, am 3. Mai will Niederösterreich nachziehen, Wien hat sich noch nicht festgelegt – mehr dazu in noe.ORF.at.
Ab Montag ist in Schulen in Wien und Niederösterreich wieder Schichtbetrieb angesagt – wie in den übrigen Bundesländern auch. Neben Volksschulen dürfen auch kleinere Klassen (weniger als 18 Schüler und Schülerinnen) zurück in den Präsenzunterricht. Eine Rückkehr zum normalen Präsenzunterricht für alle Schulstufen dürfte bereits für den 17. Mai geplant sein.
NEOS für stufenweises Vorgehen
Vor Sitzungsbeginn im Kanzleramt erwiesen sich die meisten Teilnehmer und Teilnehmerinnen als wortkarg. Lediglich Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer plädierte für eine „breite, faire Öffnung“ mit entsprechenden strengen Sicherheitskonzepten. „Uns ist es wichtig, dass es vor Pfingsten stattfindet.“ Die Sperrstunde für die Gastronomie wünscht er sich jedenfalls um 22.00 Uhr, damit sich „zwei gute Runden am Abend“ in den Lokalen ausgehen.
NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker pochte indes einmal mehr auf ein stufenweises Vorgehen: „Anstatt alle Bereiche zu öffnen und damit für Chaos und Unsicherheit zu sorgen, sollten die Öffnungsschritte in Stufen geschehen.“ Damit könnten die Auswirkungen der einzelnen Schritte beobachtet werden und die Menschen sowie die betroffenen Sparten sich in Ruhe darauf vorbereiten.
„Mehr oder weniger fertig“
Schon vergangene Woche hatte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) Öffnungen in allen Bereichen – von Kultur, Sport über Gastronomie bis zum Tourismus – für Mitte Mai angekündigt. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) ließ wissen, dass man mit den Plänen innerkoalitionär „mehr oder weniger fertig“ sei. Ihm sei der Schutz der Intensivstationen vor Überlastung wichtig ebenso wie Schulöffnungen. Die Ausgangslage in den einzelnen Bundesländern ist jedenfalls sehr unterschiedlich.
In Vorarlberg haben sich seit der weitgehenden Öffnung Mitte März etwa auch von Innengastronomie die Infektionszahlen vervierfacht. Auch hier nahm die ansteckendere B.1.1.7-Variante zu. In Tirol liegt die 7-Tage-Inzidenz inzwischen mit 213 etwa gleichauf mit Wien. Der Komplexitätsforscher Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna (CSH) zeigte sich am Freitag im Ö1-Morgenjournal daher vorsichtig, was Prognosen angeht: „Es ist unklar, wo wir in welchem Bundesland Mitte Mai stehen. Man kann noch nicht seriös sagen, wie groß die Öffnungsschritte sein können.“
„Erfolg der Impfung nicht verspielen“
Auch wenn es aufgrund der Impfung und des wärmeren Wetters mehr Spielraum für Öffnungen gebe, dürfe man keinen „Frühstart“ hinlegen. Er erinnerte zudem an den vergangenen Frühling, als jeder Öffnungsschritt alle zwei Wochen evaluiert wurde. Auch der Virologe Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften appellierte im Ö1-Interview, vorausschauend zu handeln: „Die Impfungen sind eine Erfolgsgeschichte. Diesen Erfolg dürfen wir nicht verspielen.“
Je mehr das Virus Chancen bekomme, Fluchtmutationen zu entwickeln, desto größere Probleme könnte es im Herbst und Winter geben. Die Wissenschaft legt deshalb gerade ein großes Augenmerk auf die in Tirol entstandene Fluchtmutation E484K, die sich mit der erstmals in Großbritannien aufgetretenen Variante B.1.1.7 verbunden hat. Durch diese Fluchtmutation sei es für Antikörper schwieriger, das Virus zu bekämpfen. Das bedeute, so Bergthaler, dass es häufiger zu Reinfektionen kommen sowie der Impfschutz unterlaufen werden könne.
Diese in Tirol entstandene Fluchtmutation trat weltweit bereits mehrmals auf, ist laut Bergthaler aber immer wieder versandet. In Tirol gibt es derzeit rund 1.000 Fälle. Die Daten deuteten derzeit darauf hin, dass diese Mutation in Tirol entstanden ist, sagte der Virologe. Diagnostik und Contact-Tracing würden in Tirol funktionieren. Unter dem Strich zeigten die Infektionszahlen aber, dass die Maßnahmen bisher nicht ausgereicht haben.
Ausreisetestpflicht für Tirol verlängert
Erst am Donnerstag beschloss der CoV-Einsatzstab in Tirol, die Ausreisetestplicht für das Bundesland bis 5. Mai zu verlängern. Die Fluchtmutation wurde als eine Begründung angeführt. Die Testpflicht gilt für Personen mit Wohnsitz in Tirol sowie für Personen, die sich durchgehend über einen Zeitraum von mehr als 24 Stunden in Tirol aufgehalten haben – mehr dazu in tirol.ORF.at.
Bergthaler mahnte, die Überwachung der Varianten zu beschleunigen. Vom Probenaustausch und der Datenübertragung angefangen bis zu den verwaltungstechnischen und politischen Abläufen werde immer noch viel Zeit liegen gelassen. Die Spielregeln diktiere leider das Virus und nicht das individuelle oder politische Wollen, meinte auch der Molekularbiologe Ulrich Elling.