Mückstein hielt im Pressefoyer nach dem Ministerrat zwar am ursprünglichen Enddatum des Lockdowns fest – einen Zielwert bei den Neuinfektionen, den man zur Aufhebung des Lockdowns erreichen muss, wollte er allerdings nicht nennen. Er verwies lediglich darauf, dass laut Experten eine Kontaktreduktion um 30 Prozent erreicht werden müsse, damit die Positiv-Testungen zurückgehen.
Tatsächlich dürften sich die Maßnahmen in den Zahlen niederschlagen: Für den Komplexitätsforscher Peter Klimek etwa könnte ein „vorläufiger Höhepunkt“ bald erreicht sein, wie er gegenüber ORF.at sagte. Die Indikatoren, die man momentan habe, würden darauf hindeuten – dazu zählten etwa die weniger steile Wachstumsrate und ein Niveau der täglichen Neuinfektionen, das ungefähr jenem der Vorwoche entspreche.
Auch Simulationsforscher Niki Popper sieht zwar einen möglichen Abwärtstrend bei den neuen positiven Fällen: „Wir sehen jetzt in den Modellen, dass die Zahl der Positiv-Testungen bald zurückgehen sollte. Jetzt hoffen wir, dass das auch in der Realität so kommt, aber wir werden es in den nächsten Tagen sehen.“ Doch auf den Intensivstationen werde sich der Lockdown erst zeitverzögert widerspiegeln, so der Experte – mehr dazu in noe.ORF.at.
Intensivbetten „am Anschlag oder darüber hinaus“
Für Klimek stellt sich unterdessen die Frage, wohin man mit den Zahlen wolle – für ihn sieht es momentan so aus, dass die Intensivstationen „bis zum Jahresende“ am „Anschlag oder darüber hinaus“ seien werden. Deshalb brauche es eine „nachhaltige Senkung“, so der Experte. Man müsse sich daher überlegen, wie es bei einer Evaluierung des Lockdowns weitergehe. Vermutlich werde es „auch für Geimpfte kein Weitermachen wie im Sommer“ geben.
Maßnahmen wie 2-G und 2-G Plus könnten damit weiter auf der Tagesordnung stehen – wenngleich es vorstellbar sei, dass man „punktuell, regional“ aus dem Lockdown herauskomme, so Klimek. Eine weitere Verschärfung der Maßnahmen halte er momentan nicht für nötig, um ein Abflachen der Infektionskurve zu erreichen. Die Situation wäre jetzt jedenfalls eine andere, würden die Zahlen weiterhin ungebremst steigen – auch wenn sich bei der „wesentlichen Problematik“ im Prinzip „nicht viel getan“ habe.
Gewisse Unsicherheit bei Zahlenlage
Der Komplexitätsforscher verwies auf eine mögliche weitere Hürde: Momentan sei nicht klar, wie verlässlich die Indikatoren sind, die den Expertinnen und Experten zur Verfügung stehen. Die Probleme in den Meldesystemen der letzten Tage könnten auch zu einem „künstlichen Abflachen“ geführt haben, Nachmeldungen und Änderungen beim Contact-Tracing könnten die Abflachung stärker wirken lassen, „als sie tatsächlich ist“. Das werde sich wohl erst in naher Zukunft klären.
Angesichts der Lage in den Spitälern rechnet unterdessen Christoph Steininger, Virologe an der MedUni Wien, nicht damit, dass der Lockdown für Geimpfte wie geplant mit dem 12. Dezember endet. Daran glaube er „ebenso wenig wie an das Christkind“, so der Mitbegründer der „Alles gurgelt“-PCR-Tests im „Kurier“ (Mittwoch-Ausgabe). Schon bald werde man die „kritische Grenze von 600 Intensivbetten erreichen“, so Steininger. In den kommenden zwei Wochen würden die Zahlen weiter steigen.
Momentan werde der Lockdown einfach zu „wenig radikal gelebt, damit innerhalb von drei Wochen große positive Effekte auf den Intensivstation erzielt werden können“. Daher sei er „wenig optimistisch“, dass es Mitte Dezember wieder ein normales Leben zumindest für Geimpfte geben wird. „Das wird kaum möglich sein“, sagte der Virologe.
Mobilitätsreduktion bemerkbar
Erste Auswirkungen des Lockdowns und der bereits zuvor getroffenen Maßnahmen sieht das CoV-Prognosekonsortium: In der laufenden Kalenderwoche „ist ein Höhepunkt der vierten Epidemiewelle (…) wahrscheinlich“. Auch Abwasseranalysen und Mobilitätsdaten würden auf eine Stagnation des Infektionsgeschehens hindeuten, heißt es dort.
Auch das Prognosekonsortium gibt allerdings zu bedenken: „Aufgrund der hohen Belastung bzw. teilweiser Überlastung von Testinfrastruktur, Meldesystem und Kontaktpersonenverfolgung sind die aktuell gemeldeten Inzidenzen jedoch mit Unsicherheit behaftet. Entsprechend muss diese Prognose im Falle erheblicher Nachmeldungen in den nächsten Tagen neu evaluiert werden.“