Die Lehre aus dem Reisfeld

Die Welt ist komplexer, als wir denken: Zusammenhänge sind oft nicht gleich zu erkennen, so auch geschehen in Bali. Ein kleiner Eingriff in das Ökosystem von Reisfeldern brachte es ins Schwanken. Der US-Anthropologe Stephen Lansing hat dieses Phänomen untersucht und zeigt damit die Relevanz von Komplexitätsforschung auf.

Komplexitätsforschung 11.02.2015

Dünger bringt Reisfeldsystem ins Schwanken

Was haben seit Jahrhunderten bestehende Reisfelder entlang eines Vulkans in Bali mit Komplexitätsforschung zu tun? Mehr als man im ersten Moment glauben würde, sagt der US-Forscher Stephen Lansing, einer von zehn Komplexitätsforschern, die auf Einladung des Austrian Institute of Technology (AIT ) zum “Complexity Science Hub” nach Wien gekommen sind, um über die komplexen Zusammenhänge zwischen Natur, Mensch und “Big Data” zu referieren.

Die komplexe Geschichte der Reisfelder beginnt in den 1970iger Jahren, sagt Stephen Lansing. Damals wollte der reiche Westen, den armen balinesischen Bauern helfen, die Erträge ihrer Reisfelder zu steigern, und zwar mit Hilfe von Düngemitteln. Aber anstatt die Erträge zu erhöhen, brachte der Dünger das Gleichgewicht der Natur in Bali zum Schwanken.

Den westlichen Experten war entgangen, dass die Reisplantagen gar keinen zusätzlichen Dünger brauchen, da die Erde auf dem Gestein des Vulkans ausreichend Nährstoffe beinhaltet. Der zusätzliche Dünger wurde aus dem Gestein gewaschen, gelangte ins Meer, führte zu einer Algenplage und ließ in Folge ganze Korallenriffe absterben.

“Der zusätzliche Dünger war also ein Fehler!” sagt Lansing. Ein Fehler der dadurch entstanden ist, dass die sogenannten Experten, so Lansing, sich nicht das balinesische Reisfeldsystem angesehen und nicht versucht hatten es zu verstehen. Der Wille zu helfen war da, der Weg aber der falsche.

Systemänderungen und ihre Auswirkungen

Die Komplexitätsforschung setzt sich nun genau mit solchen Fragen, wie die der Reisfelder oder auch globaleren, wie etwa dem Klimawandel etc. auseinander. Im Mittelpunkt der Forschung stehen immer die Fragen: Welche Auswirkungen haben noch so kleine Systemänderungen, und was kann man daraus lernen? Denn ein Lernen sei dringend notwendig. Der Klimawandel zeige ja etwa auf, dass der Mensch die Biosphäre massiv beeinflusst. Jetzt müsse man rasch handeln, um die Erderwärmung besser zu verstehen und um ihr Einhalt zu gebieten. Dabei könne die Komplexitätsforschung helfen, glaubt Lansing.

Die Komplexitätsforschung setzt sich aber nicht nur mit der Beziehung Natur und Mensch auseinander. Auch die Finanznot einzelner Großbanken kann untersucht werden. Eine solche Finanznot etwa kann die Währung und die Wirtschaftskraft eines Landes oder eines ganzen Kontinents über Jahre hinweg beeinflussen.

Um Gefahren wie die genannten zu managen gilt es, möglichst viel über komplexe Systeme zu lernen. Im Zentrum dieser noch jungen Wissenschaft stehen Mathematik und “Big Data”. Was an Daten nicht zugänglich ist, kann oft in Computersimulationen nachgebaut werden. Das erlaubt komplexe Vorgänge millionenfach zu wiederholen, was in der Wirklichkeit nur einmal passiert. Daraus kann man Vor- und Nachteile einer Intervention erkennen und unerwartete Phänomene – wie den “unnützen” Dünger – vorzeitig entdeckten und dadurch Schaden verhindern.

Wien: Zentrum für Komplexitätsforschung?

Da die Komplexitätsforschung ein relativ junges Gebet ist, gibt es kaum Zentren dafür, so Lansing. Am bekanntesten sei das Santa Fe Institute in New Mexiko, USA. Das AIT setzt sich nun dafür ein, Wien zu einem weiteren Zentrum zu machen. Gespräche mit Bürgermeister Michael Häupl über eine Finanzierung seien im Laufen, heißt es.

Gudrun Stindl, Ö1 Wissenschaft

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