“Es ist nicht die Zeit für Öffnungen”: Darum geht Österreich in die Osterruhe

 

von Christine Leitner

25.03.2021, 12:09 Uhr

Zwei Länder, zwei Wege: Sowohl in Deutschland als auch in Österreich steigen die Corona-Zahlen dramatisch. Während Merkel den Plan eines österlichen Lockdowns schon wieder verworfen hat, hält man in Österreich daran fest. Was macht unser Nachbarland anders?

Während Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten Montagnacht einen wenig zufriedenstellenden Plan zum Oster-Lockdown präsentierten, herrschte im südlichen Nachbarland Österreich noch Uneinigkeit. Trotz einer Inzidenz von 247 plante mancher Landeshauptmann zu dem Zeitpunkt noch mit geöffneten Schwimmbädern und Restaurants.

 

 

Am Dienstag konnte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) seine Kollegen schließlich von der notwendigen Kehrtwende überzeugen. Wenige Stunden bevor die Entscheidung zum harten Oster-Lockdown in Deutschland wieder zurückrufen wurde und Merkel sich für das Debakel entschuldigte, entschied man sich in Österreich für eine sechstägige Osterruhe Anfang April. Was macht das Land anders als wir?

 

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Drohende Überlastung auf den Intensivstationen

Das ausschlaggebende Argument in den Verhandlungen der österreichischen Landeshauptleute mit Gesundheitsminister Anschober dürfte die drohende Überlastung der Kliniken in drei Bundesländern sein. In Wien und Niederösterreich sind bereits mehr als die Hälfte der für Covid-Patienten vorgesehenen Betten in Intensivstationen belegt. Das Burgenland nähert sich der Zwei-Drittel-Marke. Eine kurze Osterruhe sei notwendig, um um eine drohende Überlastung der Kliniken abzuwenden, sagte der Gesundheitsminister am Mittwoch.

 

Am Montag hatte die Bundesregierung nach Gesprächen mit allen neun Bundesländer-Chefs trotz des ansteigenden Infektionstrends zunächst auf weitere Schritte verzichtet und weiter auf Massentests und Impfungen gesetzt. Am Mittwoch warnte Anschober, dass sich der Corona-Trend in Ost-Österreich auf den Rest des Landes ausbreiten könne. Der Lockdown sei deshalb als Pilotprojekt zu sehen.

 

 

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Inzidenzen von fast 300: Österreichs Osten muss in den Lockdown

Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Osterruhe für das gesamte Land gelten sollte, werden die bisherigen Corona-Maßnahmen in Österreich über Ostern nur im Osten des Landes verschärft. Dort übersteigen die Sieben-Tages-Inzidenzen den bundesweiten Durchschnitt von 247 dramatisch. Mit fast 300 hat das Bundesland Salzburg die höchste Inzidenz, gefolgt von Niederösterreich (283), und dem Burgenland (282).

 

Grund für das Infektionsgeschehen ist die schnelle Ausbreitung der britischen Virusvariante B 1117. Auf einer Pressekonferenz Anfang März konstatierte der Vizerektor der Med-Uni Wien und Mitglied des Expertengremiums der Regierung einen Anstieg der britischen Mutante auf 20 bis 40 Prozent. Demnach mache die ansteckendere Virusvariante mittlerweile bis zu 40 Prozent der Neuinfektionen aus.

 

Von einer Entspannung kann daher nicht die Rede. Deshalb brauche es nun einen “Wellenbrecher” gegen die Pandemie, so der Gesundheitsminister. Vom 01. bis 06. April soll in den östlichen und besonders stark betroffenen Bundesländern Österreichs eine Osterruhe gelten. Auch darüber hinaus haben sich die Landeshauptleute auf Maßnahmen geeinigt. Das ist der Plan:

 

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Geschäfte: “Wir wollen in dieser Osterphase wirklich den Betrieb massiv runternehmen”, sagte der Gesundheitsminister. Das bedeutet: Händler, Friseure und Masseure schließen von Gründonnerstag bis Dienstag nach Ostern. Ausgenommen sind Geschäfte des täglichen Bedarfs, kündigte Anschober nach langen Verhandlungen mit den Regierungschefs der drei Regionen an. Im Unterschied zu Deutschland sind am Karfreitag Geschäfte und Firmen in Österreich normalerweise offen.

Berufspendler und Maskenpflicht: Ab 1. April gilt die FFP2-Maskenpflicht in allen Innenräumen, aber auch im Freien, wenn Menschenmassen unvermeidbar sind. Berufspendler aus den östlichen Nachbarstaaten wie Tschechien und Ungarn müssen zwei statt bisher einen negativen Test pro Woche vorweisen. Zudem werden Betriebe dazu verpflichtet, ihre Mitarbeiter wöchentlich zu testen. Alternativ können Arbeitnehmer auch ins Homeoffice wechseln.

Ausgangsbeschränkungen: Auch die Ausgangsbeschränkungen sollen während der Osterruhe rund um die Uhr gelten. Ausnahmen bilden der Weg zur Arbeit, Spaziergänge, Einzelsport und die Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen. Die Bevölkerung ist dazu angehalten, nur in wirklich dringenden Fällen das Haus oder die Wohnung zu verlassen.

Distanzunterricht: Die Schulen stellen nach Ostern eine Woche lang auf Online-Unterricht um. Danach plant die Regierung PCR-Tests.

Gottesdienste: Die Osterfeierlichkeiten sollen laut Bischöfen verschiedener Diözesen nur unter strengsten Präventionsmaßnahmen stattfinden. Demnach sind die Pfarrverantwortlichen dazu angehalten, die Gottesdienste so kurz wie möglich zu halten und, wenn möglich, ins Freie zu verlegen. Die Gläubigen sollen nach dem Gottesdienst nicht vor der Kirche zusammenkommen.

 

Ähnlich wie in Deutschland war dem Plan auch in Österreich eine langwierige Verhandlung vorausgegangen. Nach sieben Stunden einigten sich die Landeshauptleute des Burgendlandes und aus Niederösterreich mit dem Wiener Bürgermeister und dem Gesundheitsminister. Neben einer kurzen Osterruhe soll auch ein zwei- bis dreiwöchiger Lockdown für die gesamte Ostregion im Gespräch gewesen sein.

 

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Handel und Opposition kritisieren Osterruhe

Vor der Entscheidung kritisierte Österreichs Handelsverband die durchgesickerten Pläne. Schließtage kosteten Arbeitsplätze aber verhinderten keine Infektionen, sagte Verbandschef Rainer Will. “Das einzige Unternehmen, das davon massiv profitieren würde und sich über ein vorgezogenes Ostergeschenk freuen darf, ist Amazon.”

 

Auch von SPÖ, FPÖ und den Neos kam Kritik. Der stellvertretende Landeshauptmann, Franz Schnabel, kritisierte etwa, dass es keine einheitlichen Regelungen “in einem kleinen Land wie Österreich” gebe. Zudem sei viel zu spät und zu zögerlich gehandelt worden. “Hätte man vor einem Monat etwas mehr Weitsicht und Geduld gehabt, wären wir mit den Superspreader-Regionen restriktiver umgegangen, würden wir jetzt nicht eine Situation haben, die besorgniserregender ist als vor einem Jahr”, sagte Schnabel.

 

Experten stehen der Osterruhe ebenfalls kritisch gegenüber, allerdings aus epidemiologischen Gründen. Komplexitätsforscher und Mitglied des Expertengremiums der Regierung, Peter Klimek, erklärte, dass Schließungen und Öffnungen von Schulen und Läden das Infektionsgeschehen in den vergangenen Wochen um ungefähr zehn Prozent beschleunigt oder verlangsamt hätten. Der nun beschlossene Lockdown reiche aber lediglich, um die steigenden Inzidenzen kurzfristig einzudämmen und den Trend abzuflachen.

 

“Ich bin froh, dass wir die Öffnungsschritte abgesagt haben, auch wenn wir sie uns alle gewünscht hätten”, hielt Gesundheitsminister Anschober der Kritik entgegen. Auch er wäre gerne im Schanigarten gesessen. “Doch es ist nicht die Zeit für Öffnungen.”