Gut zu wissen: Diese Corona-Maßnahmen wirken am besten

 

Eine Analyse von mehr als 4500 staatlichen Corona-Maßnahmen zeigt: “Social Distancing” und die Schließung von Bildungseinrichtungen sind einzeln betrachtet die wirksamsten Mittel zur Eindämmung der Pandemie. In Summe ist aber ein Maßnahmenmix notwendig.

 

Wien – “Social Distancing” und die Schließung von Bildungseinrichtungen sind die wirksamsten Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Das zeigt eine Analyse von mehr als 4500 staatlichen Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus in 76 verschiedenen Regionen weltweit durch Forscher des Complexity Science Hub Vienna (CSH). Doch das alleine wäre nicht genug – notwendig sei in Summe ein “cleverer Maßnahmenmix” zu einem möglichst frühen Zeitpunkt.

 

Die Wissenschafter des CSH sammelten die staatlichen Maßnahmen, die weltweit zwischen Jänner und Mai 2020 ergriffen wurden, um die Verbreitung des Virus SARS-CoV-2 einzudämmen. Nun haben sie mit internationalen Kollegen den Beitrag jeder Maßnahme zur Reduktion der Reproduktionszahl “R(t)” quantifiziert und die Ergebnisse – noch ohne Beurteilung durch Fachexperten – als Preprint veröffentlicht.

 

© APA-Grafik

“Keine Patentlösung”

 

Die Analyse zeigt, dass es “keine Patentlösung gibt und keine einzelne Maßnahme alleine R(t) unter 1 senken kann. Notwendig ist vielmehr eine Kombination von Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen”, schreiben die Forscher in ihrer Arbeit.

 

Betrachtet man die einzelnen Maßnahmen alleine, “funktioniert Social distancing eindeutig am besten”, erklärte Studienleiter Peter Klimek vom CSH und der Medizinischen Universität Wien.

 

▶️ Am wirksamsten sind folgende Maßnahmen:

 

➤ Die Wissenschafter haben die Schließung von Bildungseinrichtungen als die bei weitem wirksamste Maßnahme identifiziert. Den Grund für die hohe Wirksamkeit sieht der Studien-Erstautor Nils Haug (ebenfalls vom CSH und der Med-Uni Wien) u.a. auch darin, dass dadurch nicht nur Kinder und Jugendliche zu Hause bleiben müssen, sondern auch viele Eltern.

 

➤ Ebenfalls hoch wirksam ist das Verbieten kleiner Zusammenkünfte, wozu die Forscher u.a. die Schließung von Geschäften und Restaurants oder die Einführung von Home Office zählen.

 

Bessere Verfügbarkeit von Schutzausrüstung wie Mund-Nasen-Schutz ist laut der Studie essentiell.

 

Grenzschließungen und eine aktive Risikokommunikation, etwa durch die Förderung von Sicherheitsprotokollen in Firmen oder bei Veranstaltungen, sind ebenfalls wirksam.

 

➤ Die Stärkung der Gesundheitssysteme im Umgang mit der Pandemie, etwa durch eine gezielte Aufklärung über COVID-19, die Bereitstellung von Schutzausrüstung für Beschäftigte im Gesundheitswesen und die Trennung von Patienten mit und ohne COVID-19 in Krankenhäusern zählen ebenfalls zu den wirkungsvollsten Maßnahmen.

 

▶️ Maßnahmenmix zur Eindämmung notwendig:

 

Um die Ausbreitung tatsächlich einzudämmen, brauche es jedeoch einen “cleveren Maßnahmenmix – und zwar je früher, desto besser”, betonen die Wissenschafter.

 

 

Forscher mit Details zur Reproduktionszahl

 

💬 Studien-Erstautor Nils Haug vom CSH und der Med-Uni Wien betont: “Keine Maßnahme allein ist wirksam genug, um R(t) unter 1 zu senken.”

 

Info: Die Reproduktionszahl gibt an, wie viele Menschen von einer erkrankten Person im Durchschnitt infiziert werden. Um die Ausbreitung einer Krankheit einzudämmen, muss R(t) unter 1 liegen.

 

Als Beispiel nennt Haug die Schließung von Kindergärten, Schulen und Universitäten. Dies ist der Studie zufolge zwar für sich betrachtet die wirksamste Maßnahme zur Eindämmung der Corona-Pandemie, reduziert die Reproduktionszahl aber um maximal 0,34.

 

Geht man davon aus, dass R(t) ohne Maßnahmen bei etwa drei liegt, würde durch die Schließung von Bildungseinrichtungen also jede infizierte Person durchschnittlich nur noch 2,7 statt drei Menschen infizieren – die Krankheit würde sich aber dennoch rasch ausbreiten.

 

Hier geht es zur Studie —-> Ranking the effectiveness of worldwide COVID-19 government interventions

 

 

▶️ Fazit: Je früher, desto besser:

 

Frühe und freiwillige Interventionen sind wirksamer als solche, die spät und verpflichtend eingeführt werden. Das galt auch für die (Selbst-)Isolierung von Personen mit Symptomen oder für Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz. Deshalb sehen die Wissenschafter eine aktive Risikokommunikation mit der Öffentlichkeit und die Aufklärung und Information aller relevanten Interessengruppen als Schlüssel zur Eindämmung der Epidemie.

 

➤ Schutzausrüstung: Das früh beworbene freiwillige Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes ist deutlich wirksamer als ein erst zu einem späteren Zeitpunkt verordnetes verpflichtendes Maskentragen.

 

Auch Lockdowns zeigten sich in der Analyse als sehr wirksam, wenn sie frühzeitig verhängt wurden. “Die gute Nachricht unserer Studie ist: Es braucht nicht unbedingt derart weitreichende Maßnahmen, um die Kurve abzuflachen. Mit der richtigen Kombination weniger starker Eingriffe kann die Reproduktionszahl ebenfalls erheblich reduziert werden”, betonte Studienleiter Peter Klimek.

 

In seiner Studie hat das Forscherteam vier verschiedene Methoden für die Datenanalyse verwendet, die “zu bemerkenswert ähnlichen Schlussfolgerungen” gekommen sind. Das stimmt Klimek zuversichtlich, “dass unser Ranking sehr aussagekräftig ist und Entscheidungsträgern bei der Bekämpfung der derzeit beginnenden zweiten Welle der Pandemie eine große Hilfe sein kann.