Seither habe sich jedoch “fast nichts” getan, sagte Sprenger, der bis vor wenigen Wochen Mitglied der Corona-Taskforce im Gesundheitsministerium war. Es gehe jetzt vor allem darum, wissenschaftliche Erkenntnisse zu sammeln, die dabei helfen, angesichts einer etwaigen zweiten Welle im Herbst oder Winter “professionell zu reagieren und die Kollateralschäden in der Wirtschaft und der gesundheitlichen Regelversorgung” möglichst gering zu halten.
In Österreich würden leider “viele Datensätze und Kanäle” nicht nur zur Coronakrise “gar nicht existieren”, erklärte Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) auf APA-Anfrage. So benötigte der Forscher beispielsweise für eine Zusammenarbeit mit spanischen und italienischen Kollegen Krankenhausdaten. “Die jeweiligen Kollegen konnten auf eine Website gehen und sich die Daten einfach runterladen. Wir benötigen dazu eine Datenanfrage an das Bundesministerium”, so Czypionka.
Hierzulande habe man es mit einer “grundsätzlich konträren Kultur zu vielen anderen Ländern” zu tun. Während man vielerorts durchaus froh sei, wenn Wissenschafter Daten auswerten und Erkenntnisse mitteilen, herrschten in Österreich oft Bedenken im Hinblick auf die Wirkung von Ergebnissen vor, so der Gesundheitsökonom, der einer der Mitinitiatoren des Offenen Briefes ist.
Ähnlich äußerte sich kürzlich Peter Klimek vom Complexity Science Hub Vienna (CSH) und der Medizinischen Universität Wien: “Aus allem, was jetzt passiert, können wir lernen. Aber dafür braucht die Wissenschaft endlich den versprochenen Zugang zu Daten. Es wäre höchst fahrlässig, die Folgen von Entscheidungen jetzt nicht laufend evidenzbasiert zu bewerten”, so der Komplexitätsforscher. Ebenso bemängelte die Gendermedizinerin Alexandra Kautzky-Willer von der MedUni Wien, dass man “derzeit nicht genug Information zu den Covid-Fällen” bekomme, “um die wirklichen Risikogruppen optimal erkennen und schützen zu können.”
In einem Kommentar im Online-“Standard” stößt auch die Ökonomin Monika Köppl-Turyna vom wirtschaftsliberalen Thinktank Agenda Austria in eine ähnliche Richtung: Demnach zeige die Coronakrise, dass es an der Zeit wäre, dass Statistik Austria ihren “Datenspeicher” öffne. Durch den restriktiven Umgang mit Daten entstehe “ein riesiger Schaden für Österreich im Generellen und für den Wissenschaftsstandort im Speziellen, der in der aktuellen Covid-19-Krise schmerzlich spürbar wird”, heißt es dort.
SERVICE: Der Offene Brief vom 3. April im Wortlaut: )
(APA)