Österreichische IT-Spezialisten haben einen Weg gefunden, wie man Abnehmer und Hersteller pornografischer Darstellungen Minderjähriger schneller findet. Doch der Erfolg hat Schattenseiten.

WIEN. Der Fall um den Schauspieler Florian Teichtmeister hat die Dis- kussion rund um den Konsum bzw. die Herstellung pornografischer Inhalte Minderjähriger im Internet neu befeuert. Dass es sich dabei längst um ein globales Milliarden- geschäft handelt, macht es vor al- lem für jene schwer, die den Tätern auf die Schliche kommen wollen: die Ermittlungsbehörden. Sie sind den Kriminellen meist mehrere Schritte hinterher.

Diese Distanz maßgeblich zu ver- ringern ist IT-Spezialisten vom Complexity Science Hub (CSH) in Wien gelungen. „Unser großes Thema ist die Entwicklung von fo- rensischen Methoden, mit denen wir illegale Zahlungsströme nach- vollziehen können“, erklärt Bern- hard Haslhofer vom CSH. Öffent- lich einsehbare Kryptokonten von Konsumenten können mit den Adressen der Anbieter verknüpft werden. Denn im Darknet, also je- nem Teil des Internets, wo annä- hernd anonym und vorwiegend mit Waffen, Drogen und Missbrauchs- darstellungen von Kindern gehan- delt wird, bezahlt man fast aus- schließlich mit Kryptowährungen.

„Mit Datum 8. Mai 2023 gibt es im Darknet 287.737 bekannte Domains, die im Zusammenhang mit Kindes- missbrauch stehen“, berichtet Hasl- hofer im SN-Gespräch. 74.200 da- von sind aktuell online, 213.537 be- reits wieder offline. „Alleine an die- sem Tag wurden rund 30 einschlägi- ge Seiten unter 535 neuen Domains bzw. Links gefunden. Diese Seiten tragen Titel wie zum Beispiel ,Alice with Violence CP‘, ,Best Onion C****d Porn‘ oder ,Boy Child Forbid- den‘.“ Doch jetzt kommt die schlechte Nachricht: „Was im Dark- net angeboten wird, ist nur die Spit- ze des Eisbergs. Das sind meist nur Fake-Angebote. Und wir wissen ei- gentlich nicht, wie groß der Eisberg ist“, sagt der CSH-Forscher. Was tat- sächliche Geschäftsabwicklungen

BILD: SN/APA/DPA/NICOLAS ARMER

angeht, so wird die große Masse über verschlüsselte Kommunika- tionskanäle durchgeführt. Haslho- fer: „Und auf die haben wir keinen Zugriff.“ Über diese Verbindungen wird für gewöhnlich kein Geld übermittelt, sondern anderes Mate- rial dafür hergegeben. „In gewisser Weise findet Tauschhandel statt.“

Dass es sich dabei um ein „Big Business“ handelt, weiß auch Cor- nelia Koller, Präsidentin der Verei- nigung der Staatsanwälte. „Das gro- ße Ziel ist es, diesen Wirtschafts- zweig zu zerschlagen.“ Doch dies scheint unter gegebenen Umstän- den kaum möglich. „Wir haben in Österreich keine Handhabe, die Plattformbetreiber zu zwingen, diese Seiten vom Server zu neh- men.“ Wofür ebenfalls die recht- lichen Rahmenbedingungen feh- len, sei die Onlinedurchsuchung. Soll heißen: in Chatgruppen ein- dringen, Schwachstellen hacken. „Was auch sehr fehlt, ist die Live- Überwachung. Also das Pendant zu Telefonüberwachung – nur eben im Netz. Und da rede ich jetzt nicht vom Bundestrojaner“, betont Koller.

Denn die Zahlen seien jeden- falls „massiv gestiegen“. 2013 gab es 795 Ermittlungsverfahren, 2022 waren es 2485. „Und im ers- ten Drittel des heurigen Jahres bereits 1561.“ Das habe aber auch mit der immer besseren inter- nationalen Zusammenarbeit zu tun, sagt Koller und erwähnt da- bei explizit die US-Meldestelle für pornografische Darstellun- gen Minderjähriger. „Die Abneh- mer sind nicht das Problem, die sitzen in Europa, an die kommen wir heran. Wir wollen aber die Produzenten bekommen.“

Doch befinden sich die Internetprovider in Südostasien oder Afrika, so hätten Ermitt- lungsbehörden in ganz Europa große Probleme. Koller: „Von dort bekommen wir nur wenige Informationen.“ Apropos Pro- bleme: „Die Personalressourcen zur Auswertung der Daten wer- den immer knapper – die Daten- mengen aber immer größer“, klagt die Grazer Staatsanwältin. „Da müssen wir auch über künstliche Intelligenz reden, um dieser Situation Herr zu wer- den.“