Frauen-Netzwerke: Schüchternheit ist keine Zier
Gekonntes Netzwerken ist essenziell für die Karriere. Woran Frauen mitunter scheitern und wie gelungene Kooperation zum Ziel führt.
Als Manuela Lindlbauer das erste Mal am Forum Alpbach teilnahm, war sie freilich angetan von all den interessanten Vorträgen und Diskussionen. Doch warum sich alle Welt so dafür begeisterte, wollte sich ihr nicht recht erschließen. Wesentlich spannender schienen diverse Nebenschauplätze zu sein, bei denen Kontakte und Seilschaften geknüpft wurden. Bloß: Dazu war die Wiener Personalberaterin gar nicht erst eingeladen. Auch wenn es anfangs Überwindung kostete: Lindlbauer nahm sich ein Herz, gesellte sich zu ihr unbekannten Grüppchen, brachte sich in Gespräche ein, und just waren die ersten Kontakte geknüpft. Der Lohn: ein großes Netzwerk, auf das sie zurückgreifen kann, und Einladungen zu jenen Side-Events, wo die wirklich wichtigen Dinge passieren.
Lindlbauer scheint damit allerdings eine Ausnahme zu sein. Denn Frauen wird nachgesagt, in puncto Networking nicht so geschickt zu agieren wie die Herren der Schöpfung. Doch gerade Beziehungen erweisen sich für die Karriere als hilfreich. Mit Freunderlwirtschaft habe das allerdings nichts zu tun, sagt Netzwerkanalytikerin Ruth Pfosser von FASresearch. Im Gegenteil: An jemanden, mit dem man bereits einmal auf Small-Talk-Ebene eine gemeinsame Basis gefunden hat, erinnert man sich eben leichter, wenn es um die Vergabe eines Auftrags geht oder gar darum, eine Position im Unternehmen neu zu besetzen. Doch warum scheint es, dass Frauen es mitunter schwerer haben, tragfähige berufliche Netzwerke zu knüpfen? Und viel wichtiger: Wie können sie ihre Kontakte für sich nutzen?
Heterogenität
Gerade wem der Einstieg ins Networking schwerfällt, für den eignen sich Frauennetzwerke als erste Feuerprobe, raten Expertinnen. Ein noch junges, aber durchaus umtriebiges Netzwerk ist “The Sorority”. Von Katharina Brandl und Therese Kaiser 2014 ursprünglich als Spaßprojekt gegründet, fanden sich rasch Mitstreiterinnen. Aus der 15-köpfigen branchenübergreifenden Gruppe wurden schnell 400 Mitglieder. “Uns auszutauschen – etwa über Probleme am Arbeitsmarkt – fiel auf so fruchtbaren Boden, dass wir uns rasch professionell aufstellten”, sagt Sandra Nigischer, Sprecherin der Verbindung. Auch Personalberaterin Lindlbauer kann Frauennetzwerken durchaus einiges abgewinnen – hat sie doch auch selbst zwei gegründet. “Gerade Berufseinsteigerinnen haben in diesem geschützten Raum weniger Hemmungen, Kontakte zu knüpfen und Netzwerken zu lernen. Allerdings begegnen sich viele Frauen auf der gleichen Hierarchieebene. So kann man einander nicht effizient genug fördern.”
Pfosser hat Ähnliches beobachtet. Gleich und Gleich geselle sich zwar gerne, gerade beim Netzwerken komme es aber auf Komplementarität an. Je heterogener in puncto Karrierestufen, Alter oder Branchen ein Netzwerk sei, desto eher bringe es beruflichen Nutzen. “Unterschiedliche Kontexte brauchen allerdings auch unterschiedliche Netzwerke. In Frauen- und Branchennetzwerken geht es oft um Reflexion, Motivation und Unterstützung. Das ist wichtig und hat seine Berechtigung. Aber je heterogener, desto eher stehen Angebot und Nachfrage im Vordergrund”, so die Wissenschaftlerin.
Kontakte knüpfen
Obwohl Lindlbauer das Networking vor allem in Frauennetzwerken gelernt und perfektioniert hat, hat sie sich mittlerweile von ihren Mitgliedschaften verabschiedet und sieht rein weibliche Vereinigungen eher skeptisch. Denn obwohl Frauennetzwerke sich oft Karriereförderung auf die Fahnen heften, geht es schlussendlich meist nur um Erfahrungsaustausch. “Für Frauen, die die ersten Karrieresprünge bereits hinter sich haben, bieten sie kaum Mehrwert. Da geht es lediglich darum, als Zugpferd zu erzählen, wie man das geschafft hat”, kritisiert sie.
Als weitaus hilfreicher können sich Frauennetzwerke innerhalb von Unternehmen erweisen, vor allem dann, wenn sich neben Jobeinsteigerinnen und Frauen auf dem mittleren Karrierelevel auch noch weibliche Führungskräfte engagieren. Beim Technologiekonzern IBM stehen mit Österreich-Chefin Tatjana Oppitz und der internationalen CEO Virginia Rometty gleich zwei Frauen an der Unternehmensspitze, die Teil des weltweiten IBM-Netzwerks “Women in Technology” sind. Im Mittelpunkt steht hier zwar der Austausch, aber vor allem auch das projektübergreifende Kennenlernen. “Auf professioneller Ebene gewinnt man so neue Ansprechpartnerinnen für Projekte. Gleichzeitig unterstützen erfahrene Kolleginnen bei wichtigen Karriereschritten. Jüngere finden hier Mentorinnen”, fasst Susana Prestel, WIT-Initiatorin bei IBM Österreich, die Vorteile zusammen.
Christiane Funken, Autorin von “Sheconomy” und Geschlechterforscherin an der Freien Universität Berlin, warnt allerdings davor, sich nur auf das Unternehmensfrauennetzwerk zu verlassen:”Diese werden zwar von Human-Resources-Abteilungen gefördert, die informellen ‘old boy networks’ sind allerdings die, die weiterbringen.”
Und das bedeutet mitunter auch das klassische Bier unter Kollegen mit dem Vorgesetzten. Wer als Frau dazu eingeladen wird, sollte sich tunlichst auch die Zeit dafür nehmen. Networking-Expertin und Coach Magda Bleckmann bereut es noch heute, dass sie eine derartige Einladung einst aus familiären Gründen dankend abgelehnt hat. In ihrer Abwesenheit wurden wegweisende Entscheidungen gefällt.
Step by Step
Am allerwichtigsten beim Networking: die Überwindung. Und gerade da sind Frauen zuweilen zu zurückhaltend, findet Bleckmann: “Zumindest einmal pro Woche sollte man abends auf beruflich relevante Veranstaltungen gehen und das Gespräch mit anderen suchen.” Hilfreich seien dafür auch gemeinsame Interessen – sei es beruflich oder privat.
Wer sich bei solchen Veranstaltungen fehl am Platz fühlt, dem rät Lindlbauer erst auch einmal, mit einer Freundin unterwegs zu sein: “Aber nicht, um dann Prosecco trinkend in der Ecke zu sitzen, sondern um einen Ankerpunkt zu haben. Alleine zu solchen Veranstaltung zu gehen ist anstrengend und unbequem, aber am effizientesten.”
Wurden erst einmal die Visitenkarten getauscht, gilt es auch, in Kontakt zu bleiben. Einerseits über Plattformen wie Xing und LinkedIn, aber vor allem auch persönlich. Professionelle Netzwerkerinnen schicken rund zehn Tage nach dem Kennenlernen ein Mail hinterher, um sich in Erinnerung zu rufen. Stimmt die Chemie, kann auch ein Geschäftsessen nicht schaden. Bleckmann rät gar dazu, pro Monat zwei bis drei Stunden in Kontaktpflege zu investieren. 30 bis 50 solcher Kontakte sollte man im Laufe des Jahres in dieser Zeit anrufen oder, noch besser, persönlich treffen. Denn über das Netzwerk Aufträge zu akquirieren oder gar aufzusteigen, klappt nur bei gleicher Wellenlänge – und nach dem Prinzip Geben und Nehmen. “Die Frage lautet dabei nicht, was jemand für mich tun kann, sondern was ich für ihn tun kann”, sagt Bleckmann. Denn wird die Absicht überdeutlich, führt das nur selten zum gewünschten Erfolg.