Urlaub und Coronavirus: Kroatien unter genauer Beobachtung
Österreich belegt Rückkehreraus Rumänien, Bulgarien und Moldau mit strengen Einreiseregeln – und analysiert sorgenvoll die CoronaEntwicklung an der Adria. VON SUSANNA BASTAROLI, WIELAND SCHNEIDER UND CHRISTIAN ULTSCH Wien. Als Gastgeber wollte Bundespräsident Alexander Van der Bellen in der Hofburg am Mittwoch offenbar besonders höflich sein. Ich habe volles Verständnis für Menschen, die das Meer genießen wollen”, sagte er im Beisein von Zoran Milanovic und Borut Pahor, seinen Amtskollegen aus Kroatien und Slowenien. In Wirklichkeit steht der Sommerurlaub an der kroatischen Adria auf der Kippe. Seit 26. Juni haben die täglichen Neuinfektionen, gemessen an der Bevölkerungszahl, ein bedenkliches Ausmaß angenommen. 69 neue Coronafälle kamen am Dienstag hinzu. Slowenien hat den Nachbarn bereitsvon der grünen Liste gestrichen. Noch hat Österreich keine Reisewarnung für Kroatien ausgesprochen. Doch die Behörden beobachten die Lage wie in anderen Ländern ganz genau”, wie Claudia Türtscher, die Sprecherinvon Außenminister Alexander Schallenberg, zur Presse” sagte. Mit Reisewarnungen belegt hat die Bundesregierung drei andere europäische Staaten: Rumänien, Bulgarien und Moldau. Rumänien, Bulgarien und Moldau Wer aus Rumänien und Bulgarien nach Österreich will, muss ab Donnerstag entweder für 14 Tage in Heimquarantäne oder einen negativen Coronatest vorlegen. Für Moldau galt diese Regel auch zuletzt schon. Nun kam jedoch noch eine explizite Reisewarnung hinzu. Wer sich über die Corona-Einreiseregeln hinwegsetzt, riskiert eine Verwaltungsstrafe von 1450 Euro. Das hielt Bundeskanzler Sebastian Kurz am Mittwoch ausdrücklich fest. Er kündigte zudem verstärkte Konkündigte trollen an Österreichs Grenze zu Ungarn und Slowenien an, insbesondere für Rückkehrer vom Balkan”. Rumänien tauchte für die Bundesregierung nach dem Corona-Ausbruch in Oberösterreich auf dem Radar auf. Der Cluster in der Freikirchengemeinde ist großteils auf Rumänen zurückzuführen. In Rumänien selbst ist die Zahl der Infektionen nach Lockerungsmaßnahmen zuletzt mit teilweise mehr als 400 neuen Fällen pro Tag stark angestiegen, besonders in Bukarest, Brasov und Suceava, Auch in Bulgarien ging die Coronakurve seit Ende Juni wieder steil nach oben, allerdings auf einem geringeren Niveau (zuletzt etwa 170 neue Fälle pro Tag). Die kleine Republik Moldau zählte bisher insgesamt fast 18.000 Angesteckte. Westbalkan In den Staaten des Westbalkan spitzt sich die Coronasituation weiter zu. Wegen steigender Infektionszahlen sprach Österreichs Außenamt bereits am Mittwoch vergangener Woche eine Reisewarnung für Bosnienund Herzegowina, Kosovo, Nordmazedonien, Albanien, Montenegro und Serbien aus. Dramatisch ist die Lage in Nordmazedonien. Dort liegt die Zahl der positiv getesteten Fälle pro 10.000 Einwohner innerhalb von 14 Tagen bei 9,3 – also nahe an dem von Complexity Science Hub festgesetzten kritischen Grenzwert von 10 (siehe Grafik). Offenbar hat das Land die Anti-Corona-Maßnahmen zu früh zurückgenommen. Kommende Woche finden in Nordmazedonien Parlamentswahlen statt. Das könnte die Lage verschärfen. Auch im Kosovo und in Montenegro sind die Infektionszahlen mit mehr als acht Infektionen pro 10.000 Einwohner hoch. Serbien hat zwar niedrigere Zahlen. Doch die Tendenz der Neuansteckungen zeigt nach oben. Kritiker werfen zudem den Behörden vor, vor der jüngsten Parlamentswahl die Statistiken geschönt zu haben. Spanien und Portugal Das stark getroffene Spanien hat die Coronapandemie weitgehend unter Kontrolle gebracht, Österreich und andere Länder haben Reisewarnungen deshalb aufgehoben. Trotzdem bleiben die Behörden sehr vorsichtig: Seite: 1, 2 2/4 Thema: Complexity Science Hub Die Presse Anfragen für weitere Nutzungsrechte an den Verlag Susanna Bastaroli Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 63.125 | Reichweite: 315.000 (4,2) | Artikelumfang: 66.003 mm² Presseclipping erstellt am 09.07.2020 für Complexity Science Hub Vienna zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. © CLIP Mediaservice 2020 – www.clip.at 09.07.2020 Autor: vorsichtig: Cluster in den Regionen Katalonien und in Galicien bereiten den Regionalregierungen Sorgen. Der katalanische Landkreis mit der Stadt Lleida war die erste Region, die nach der Lockerung der Coronamaßnahmen wieder unter Quarantäne gestellt worden war. Insgesamt sind davon 210.000 Menschen betroffen. Zwei Wochen lang darf man nur in Ausnahmefallen einreisen oder die Region verlassen. Ausgangssperren gelten auch in der nordwestlichen Urlaubsregion Galicien, wo es zuletzt einen Anstieg an Corona-Infektionen gab. Insgesamt handelt es sich um Vorsichtsmaßnahmen: Die Neuinfektionen in Spanien liegen unter der kritischen Grenze von zehn Fällen pro 10.000 Einwohner. Für Portugal gilt nach wie vor eine Reisewarnung. Zuletzt ging ein Cluster am Stadtrand von Lissabon auf. Über ein Dutzend Gemeinden stehen unter einem Lockdown. Italien In kaum einem anderen Land in Europa starben so viele Menschen am Coronavirus wie in Italien, fast nirgends war der Lockdown so strikt. Inzwischen hat das Land die Pandemie im Griff: Mit weniger als einer Neuinfektion pro 10.000 Einwohner in den letzten zwei Wochen ist die Lage sogar besser als in Österreich. Regional sind die Zahlen allerdings sehr unterschiedlich: So entfällt fast die Hälfte der Neuinfektionen auf die nordwesüiche Lombardei, für die es weiterhin auch eine partielle Reisewarnung aus Österreich gibt. Cluster traten zuletzt auch in Venetien auf. Seite: 1, 2 3/4 Thema: Complexity Science Hub Die Presse Anfragen für weitere Nutzungsrechte an den Verlag Susanna Bastaroli Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 63.125 | Reichweite: 315.000 (4,2) | Artikelumfang: 66.003 mm² Presseclipping erstellt am 09.07.2020 für Complexity Science Hub Vienna zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. © CLIP Mediaservice 2020 – www.clip.at 09.07.2020 Autor: 0,1 ESTLAND 0,1 LETTLAND 4,8 BELARUS 12,6 ISRAEL 1,4 ISLAND 0,3 IRLAND Partielle Reisewarnung für Gütersloh Partielle Reisewarnung für die Lombardei , 0,6 NL 0,3 NORWEGEN 0,6 DK 0,7 DEUTSCHLAND * Bedeutung der Werte: positiv Getestete pro 10.000 Einwohner in den vergangenen 14 Tagen (seit 23. Juni) Quelle: CSH 0,2 FINNLAND 6,5 RUSSLAND 1,2 FRANKREICH 1,0 POLEN 0,3 SK 1,2 SPANIEN 0,5 ITALIEN 0,3 GRIECHENLAND 1,1 MAROKKO 1,2 ALGERIEN 2,1 TÜRKEI 0,0 TUNESIEN 0,2 MALTA 0,1 ZYPERN Covid-19: Tägliche Neuinfektionen GleitenderSieben-Tage-Schnitt (Stand: 8. Juli) Quelle: WHO Grafik: Die Presse” GK 400 Seite: 1, 2 4/4 Thema: Complexity Science Hub Die Presse Anfragen für weitere Nutzungsrechte an den Verlag Susanna Bastaroli Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 63.125 | Reichweite: 315.000 (4,2) | Artikelumfang: 66.003 mm² Presseclipping erstellt am 09.07.2020 für Complexity Science Hub Vienna zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG. © CLIP Mediaservice 2020 – www.clip.at 09.07.2020 Autor: LEITARTIKEL VON OLIVER GRIMM Die Seuche zeigt die Grenzen Europas auf Reisefreiheit versus Infektionseindämmung: Die EU scheitert an dieser Balance so wie die Nationalstaaten. Kleinteiligkeit und Konsequenz tun not. Arme EU-Botschafter: Tagelang rangen sie vorletzte Woche um jene Liste von Drittstaaten, deren Bürger nach dreieinhalb Monaten Einreiseverbot wieder in die Europäische Unionkommen dürfen. Doch kaum war diese Liste fertig, offenbarte sich ihre Sinnlosigkeit. Verbindlich war sie ohnehin nicht, sie sollte bloß als Empfehlung einen Rahmen für das gemeinsame politische Entscheiden der 27 Mitgliedstaaten setzen. Doch die nationalen Regierungen verzichteten darauf, sie einheitlich anzuwenden. Manche öffneten am 1. Juli ihre Grenzen für die Bürger dieser 15 Drittstaaten. Andere ließen sie komplett geschlossen. Wieder andere gewährten nur manchen das Privileg. Das führte unter anderem zu der grotesken Situation, dass ein Kanadier (sein Land ist auf der Liste), der nach Brüssel möchte (Belgien wendet die Liste nicht an), einfach nach Paris fliegt (Frankreich folgt der Liste), dort auf dem Flughafen in den Zug steigt und nach einer knappen Stunde auf dem Brüsseler Südbahnhof aussteigt. Man muss nicht in der Erforschungviraler Atemwegserkrankungen promoviert haben, um zu erkennen, dass diese vermeintlich europäische” Lösung ein Reinfall ist. Sie hilft weder dabei, die Einschleppung neuer Infektionen in die Union einzudämmen, noch verschafft sie Klarheit darüber, worauf man sich bei der Einreise in die EU gefasst zu machen hat. Man darf diese Liste in der Rundablage entsorgen. Zumal das Problem der Verbreitung der Seuche durch das Reisen nicht einmal innerhalb der EU gelöst ist. Das zeigt die Warnung der Bundesregierung vor Reisen in die Mitgliedstaaten Bulgarien und Rumänien sowie ihre Ankündigung strengerer Kontrollen bei der Rückreise vom Westbalkan. Wenn angesichts seiner nicht sehr günstigen epidemiologischen Entwicklung auch der Österreicher zweitliebstes Urlaubsziel, Kroatien, davon erfasst werden sollte, darf man tien, sollte, sich auf unschöne Situationen während des schon zu Normalzeiten nicht sehr erquicklichen Rückreiseverkehrs einstellen. Und was ist mit all jenen Österreichern beziehungsweise in Österreich Lebenden, die wie jeden Sommer den Urlaub bei ihren Familien auf dem Balkan verbringen? Die EU kann dieses Problem nicht lösen. Das ist zu Beginn des fünften pandemischen Monats erwiesen. Doch die Nationalstaaten scheitern ebenfalls daran, die Balance zwischen Reisefreiheit und Eindämmung der Pandemie zu finden. Ihnen kommt besondere politische Verantwortung zu. Denn der Schengener Grenzkodex macht sie allein zu Herren über die Voraussetzungen für die Einreise in den Schengenraum. Doch das Problem des Anstiegs der Ansteckungen durch Einreisende wird von Tag zu Tag akuter. Vielleicht wäre ein erster Schritt zu seiner Bewältigung die Einsicht, dass es keine absolute, klinisch saubere Lösung geben kann. Die politische Kunst liegt darin, es so klein wie möglich zu machen. Das bedeutet in erster Linie einen feinkörnigeren Blick auf die Lage. Eine der Lehren der vergangenen Monate ist, dass man Infektionsherde schnell erkennen und eindämmen kann. Das geschieht in vielen EU-Staaten schon mehr oder weniger routiniert. Im Bezug auf die Frage, unter welchen Bedingungen Reisen ermöglicht werden sollen, heißt das folglich, genauere Kenntnis darüber zu erlangen, in welchen Regionen die Ansteckungszahlen steigen. Diese Daten müssen zeitnahe, am besten tagesaktuell, für alle EU-Staaten verfügbarsein. In zweiter Linie muss die Rückverfolgung etwaiger Ansteckungen grenzüberschreitend verbessert werden. Eine App ist dazu (freiwillig natürlich) nützlich. Was hindert die Regierungen daran, beispielsweise die gut gemachte und von der Bevölkerung offenkundig akzeptierte deutsche Corona-App überall installierbar zu machen? Drittens müssen die Regierungen endlich dafür sorgen, dass es ausreichend viele Tests für Einreisende aus Risikoländern gibt. Sie sollten zudem kostenlos sein. Denn es geht bei der Frage des Reisens in Coronazeiten nicht um persönliche Freizeitpräferenzen, sondern um Volksgesundheit und das Funktionieren des Binnenmarktes. Dafür muss Platz in den Staatshaushalten sein. 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