Podiumsdiskussion ohne Podium
FORUM GREEN LOGISTICS: Moderator Bernd Winter leitete eine Diskussionsrunde mit den Wissenschaftern zum Thema Handeln in der Krise”, währenddessen auch online Fragen gestellt werden konnten.
Gibt es zum Umgang mit dem Klimawandel so etwas wie Best-Practice-Modelle?
Gottfried Kirchengast: Die EU hat sich zum Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet und Österreich bemüht sich, im Rahmen des europäischen Green Deal eine entsprechende nationale Klimapolitik zu machen. Damit werden für Unternehmer rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen, damit diese in eine wirtschaftliche, aber auch umweit- und sozialgerechte Umgebung eingebettet sind. Wir erzielen dann einen echten Fortschritt, wenn jeder einzelne Akteur mit dieser Rahmensetzung ein innovatives Umfeld vorfindet. Und dann geht es noch darum, dass man sich auf jeder Akteursebene, egal ob Einzelperson, Familie, Organisation, Region oder Staat, zu einem entsprechenden Carbon-Management verpflichtet.
Welche Lektionen haben Sie als Unternehmer aus der aktuellen Krise gelernt?
Davor Sertic: Man muss vor allem in Krisenzeiten ganz genau wissen, was das Geschäftsmodell ist und welche Stärken das Unternehmenhat: Wo kann man diversifizieren? Wir haben Kunden aus ganz verschiedenen Branchen, Mitarbeiter mit vielen verschiedenen Hintergründen und aus verschiedenen Kulturkreisen, eine Flotte mit unterschiedlichen Antrieben. Das alles zusammen bedeutet eine gewisse Resilienz. Denn in solchen Krisen kann man dann nicht von heute auf morgen reagieren, sondern man muss diese Schritte schon viel früher getan haben.
Andreas Bayer: Wir werden Bayer: speziell in der Lebensmittellogistik Freitag, den 13. März, nicht so schnell vergessen und das werden auch unsere Mitbewerber auch so bestätigen. Wir haben in der Krise gelernt, mit kleinen Entscheidungskreisen zu arbeiten, die aus maximal sechs bis acht Personen bestehen. In diesem Rahmenwerden Probleme verstanden, diskutiert, Lösungswege gefunden und dann auch Entscheidungen getroffen, die rasch umgesetzt werden können. In einer Krisensituation ist schnelles Handeln wichtig. Wären wir in Starre verfallen, wären wir im wahrsten Sinne des Wortes untergegangen. Da war es wichtig, die gesamte Mannschaft hinter sich zu haben und gut zu kommunizieren. Alle müssen wissen: Was ist der Status-quo und wohin wollen wir. Dann ziehen alle
Welche Erfahrungen hat man aus wissenschaftlicher Sicht im Zuge der Krise gemacht?
Stefan Thurner: Ich finde zwei Aspekte bemerkenswert. Zum einen wissen wir nicht, wie resilient unsere Systeme wirklich sind. Wie resilient ist unser Gesundheitssystem? Oder unsere Lieferketten, die Wirtschaft, das Bankensystem? Wir wissen es ganz einfach nicht. Wir könnten es aber wissen und damit umgehen, wenn wir uns mit den dahinterliegenden Netzwerken befassen und den Digitalisierungsschritt machen, um diese Netzwerke zu erfassen. Das ist eine ganz wichtige Botschaft. Die zweite Beobachtung ist, dass wir als Menschen ganz schlecht darin sind, in die Zukunft vorauszublicken und Konsequenzen zu ziehen. Wenn ein Individuum eine fünfprozentige Chance hat, beim Überqueren Überqueren der Straße überfahren zu werden, dann wird es daraus die Konsequenz ziehen und stehen bleiben. Wenn unsere Gesellschaft ein 50-prozentiges Risiko hat, das Gesundheitssystem gegen die Wand zu fahren, dann passiert nichts und es wird zugesehen. So gesehen haben wir auf vielen Ebenen den ganzen Sommer verschlafen.
Manfred Gronalt: Meine Lehre aus den letzten sechs bis acht Monaten ist, dass in einer krisenhaften Situation oder bei einer Abfolge von unvorhergesehenen Ereignissen Verlässlichkeiten noch wichtiger werden als sonst. Wir Wissenschaftler waren in vielen verschiedenen Gremien beschäftigt mit endlosen Sitzungen, bei denen gar nichts herausgekommen ist. Wir wollten alle etwas Positives beitragen für die Republik. Wenn mit. Orientierungslosigkeit ist das Schlimmste – das sind die lessons learned” aus der ersten Welle, die für alle Beteiligten unvorbereitet gekommen ist. aber auf der anderen Seite niemand ist, der sagt: Ja, das ist der Auftrag. Mach das!”, dann wird das schnell für alle Seiten sehr unbefriedigend. Ich glaube, dass man auch in einem Land wie Österreich durchaus mehr auf faktenbasierte Erkenntnisse setzen sollte. Das würde helfen, in verschiedenen Bereichen die tägliche Hysterie ein bisschen abzufedern, egal ob in dieser Krise oder einer zukünftigen. Faktenbasierte Entscheidungen und klare Strukturen können das unterstützen. Bayer: Es wäre im April gelungen, alle Big Player im Lebensmittelhandel an einen Tisch zu bringen, was kein leichtes Unterfangen ist. Da waren 85 – 90 Prozent des österreichischen Lebensmittelhandels repräsentiert. Da hätten alle an einem Strang gezogen. Und ich bin nach wie vor überrascht, dass wir es bis heute nicht geschafft haben, einen klaren Auftrag für ein Projekt zur Analyse von Warenströmen zu bekommen, mit dem die flächendeckende Lebensmittelsicherheit in Österreich besser gewährleistet wird. Die Lebensmittellogistik gehört ja zur kritischen Infrastruktur. So etwas kann ich weder als Bürger noch als Logistiker verstehen.
Was wären geeignete Maßnahmen für den Güterverkehr und wie gehen Sie mit dem Thema Nachhaltigkeit um?
Gronalt: Wir haben an der Boku seit Jahren zwei wichtige Lehrveranstaltungen zu diesem Thema: Die erste beschäftigt sich mit Green Logistics, bei der wir den jungen Menschen zeigen, welche Konzepte es gibt, um Güterverkehr emissionsärmer zu machen. Die zweite Vorlesung beschäftigt sich mit intermodalem Verkehr. Wenn man versucht, den Güterverkehr dort, wo es geht, auf emissionsarme Verkehrsträger zu verlagern, ist das natürlich sinnvoll. Privat fahre ich in Wien immer mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Es gibt für mich keinen Grund, in Wien mit dem Auto zu fahren. Das ist ein Beitrag, den man gut leisten kann. Bayer: Wenn mich heute jemand fragt: Was ist der günstigste Weg für den Warentransport?” dann muss ich sagen: Diesel-Lkw auf der Straße!”. Für diese Aussage wird man wahrscheinlich gesteinigt, aber das ist genau das Thema. Wir haben als Unternehmen zwar alternative Antriebsformen in unserer Flotte, aber wenn es da keine entsprechende politische Initiative gibt, über alterative Technologien nachzudenken’- und nicht nur nachzudenken, sondern das auch konkret umzusetzen -, geht da nichts weiter. Wir würden sofort einen Wasserstoff-Lkw anschaffen, wenn es ein entsprechendes Angebot gäbe. Diese Diskussion gehört stärker forciert. Im privaten Bereich habe ich es kennen und lieben gelernt, in Österreich Urlaub zu machen und nicht irgendwo hinzufliegen. Wenn man in der Natur Sport betreibt, lernt man gewisse Dinge wieder viel mehr zu schätzen.
Sertic: Ich stimme zu, dass es ein Quick-Win wäre, das Bewusstsein für Nachhaltigkeit vonseiten der Politik mehr voranzutreiben. Wichtig ist, dass jeder Verkehrsträger in unserer Versorgung seine Berechtigung hat. Wenn es von der Politik zum Beispiel gefördert wird, dass Ware von Stockholm nach Wien elektrisch transportiert wird, dann würde die Entwicklung und Verfügbarkeit von solchen Technologien rascher voranschreiten. Nachhaltige Logistik ist auch nicht allein dadurch zu bewältigen, indem man ein Lastenfahrrad auf der letzten Meile einsetzt. Das hat aber in gewissen Bereichen genauso eine Berechtigung, wie der Einsatz der Bahn. Als Unternehmer greift die Arbeit ja sehr in mein Privatleben ein. Ich habe im Zuge der letzten Monate gesehen, wie viel Zeit ich durch Videokonferenz gewonnen habe. Internationale Geschäftsreisen finden nicht mehr statt und dadurch habe ich mehr Freiraum für Privates und Erholung. Das werde ich auch in Zukunft beibehalten, denn da hat die Krise gezeigt, was alles möglich ist.
Inwieweit ist Österreich krisensicher, und kann uns irgendetwas ausgehen?
Sertic: Eine der größten Schwachstellen ist sicherlich der Lkw-Fahrer. Der ist europaweit europaweit unterwegs und stellt in solchen Situationen ein großes Risiko dar. Wir haben überall einen Fahrermangel und ein Problem, Leute zu finden. Da gehört einmal wertgeschätzt, dass diese Menschen auch in der Krise für uns da waren. Bayer: Ich sehe das ähnlich. Wir hatten vor allem bei Transporten über die Grenzen hinweg größere Schwierigkeiten. Wir jammern in Österreich aber auf hohem Niveau. Natürlich waren am Höhepunkt der ersten Welle verschiedene Markenartikel, wie eine bestimmte Nudelmarke aus Italien vielleicht nicht mehr verfügbar. Allerdings haben uns die Simulationen der Wissenschaftler vom Complexity Science Hub gezeigt, dass der Nährwert der Lebensmittel das wichtigste Kriterium ist. Was den Nährwert anbelangt, ist Österreich sehr krisensicher aufgestellt.