Wahlbetrug in der Türkei? Forscher finden auch in Stichwahl Anzeichen
Offenbar hat es auch bei der Stichwahl in der Türkei Wahlbetrug gegeben. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Complexity Science Hub in Wien.
Wien – Am 28. Mai fand die Stichwahl für das Amt des türkischen Präsidenten statt. Dabei konnte sich Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan mit 52 Prozent gegen seinen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu (CHP) durchsetzen. Bereits in der ersten Runde der Türkei-Wahl am 14. Mai hatte die Opposition immer wieder vor Manipulation gewarnt. Auch Forscher vom Complexity Science Hub (CSH) fanden damals Anzeichen von einer Wahlfälschung.
Türkei-Wahl 2023: Wahlmanipulation zugunsten von Erdogan in Stichwahl
Offenbar hat es auch in der Stichwahl Manipulationen gegeben. 1,9 Prozent der Wahlkreise wiesen bei der Türkei-Wahl 2023 nach einer weiteren Studie des Complexity Science Hub ein statistisch eher unwahrscheinliches Ergebnis zugunsten Erdogans nach. In Gebieten mit kleineren Wahllokalen und weniger Wahlurnen kam es zu überhöhten Stimmenzahlen und Wahlbeteiligungen, zum Vorteil des türkischen Amtsinhabers“, erklärt Peter Kliemek, einer der Autoren der Studie.
Darüber hinaus wiesen Wahlbezirke mit zwei oder weniger Wahllokalen zusätzlich deutlich größere Schwankungen der Stimmenanteile zugunsten Erdogans vom ersten zum zweiten Wahlgang auf, teilt das Complexity Science Hub mit. „Solche Verzerrungen können auf das Vorhandensein von Wähler:innennötigung oder Einschüchterungstechniken hindeuten“, so Kliemek. Die Forscher schätzen dadurch, dass Erdogan so 342.000 zusätzliche Stimmen (0,64 Prozent) bekommen hat.
Türkei rutscht nach Wahl weiter in Richtung illiberale Demokratie
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die türkischen Wahlen auch weiterhin von Unregelmäßigkeiten betroffen sind, die auf Wahlbetrug hinweisen können. Diese statistischen Irregularitäten waren zwar nicht groß genug, um das Ergebnis der Wahlen 2023 allein zu bestimmen, aber sie besitzen das Potenzial, das politische Spielfeld in der Türkei noch weiter in Richtung einer illiberalen Demokratie zu verschieben“, so Klimek.
Forensischer Schnelltest spürt Manipulation bei Wahlen auf
Die von den CSH-Forschern Peter Klimek und Stefan Thurner entwickelten forensischen Schnelltests können sowohl Hinweise auf unerlaubten Druck – etwa durch Gewaltandrohung – auf Wähler:innen („Voter Rigging“) als auch auf illegales Mehrfachwählen („Ballot Stuffing“) aufspüren helfen. Dadurch konnten bei den türkischen Wahlen 2017 und 2018 sowie im ersten Wahlgang 2023 statistische Spuren von Wahlmanipulationen durch „Ballot Stuffing“ gefunden werden.