Der Ärger über Österreichs Einreisebeschränkungen für die Weihnachtsfeiertage ist mitunter groß. Sowohl unter in Österreich lebenden Menschen, die in dieser Zeit Verwandte im Ausland besuchen wollten, als auch unter vielen der knapp 580.000 Auslandsösterreicherinnen und -österreicher. Denn wie die Bundesregierung am Mittwoch in einer Pressekonferenz bekannt gab, gilt ab 19. Dezember ein “strenges Einreiseregime”, wie Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) es formulierte. Es wird bis 10. Jänner in Kraft bleiben.
Konkret werden alle Länder, die im 14-Tage-Schnitt einen höheren Wert als 100 Neuinfektionen täglich aufweisen, als Risikogebiete eingestuft. Aktuell betrifft das etwa sämtliche Nachbarländer. Wer aus einem Risikogebiet nach Österreich einreist, muss für zehn Tage in Quarantäne. Ein “Freitesten” mittels PCR-Test ist nach fünf Tagen möglich. Für Gruppen wie Pendler und Geschäftsreisende soll es zwar Ausnahmeregelungen geben. Dennoch betreffen die Verschärfungen potenziell hunderttausende Menschen, die für die Feiertage grenzüberschreitende Besuche geplant hatten.
Familienbesuch und Silvesterparty
In Österreich leben fast 1,5 Millionen nicht-österreichische Staatsbürger, von denen traditionell viele zur Weihnachtszeit ins Ausland reisen. Die stärkste Gruppe sind die knapp 200.000 deutschen Staatsbürger, gefolgt von 123.000 Rumänen, 122.000 Serben und knapp 118.000 türkischen Staatsbürgern. Hinzu kommt eine hohe Zahl an Österreichern mit Migrationshintergrund, von denen viele – auch in zweiter oder dritter Generation – rund um Weihnachten Verwandte im Ausland besuchen. Besonders aufdiese Gruppen zielt die Einreise-Verschärfung der Regierung ab.
Einerseits werden also in Österreich lebende Reisende ins Visier genommen, die Aufenthalte in Ländern mit hohem Ansteckungsrisiko am Balkan oder in der Türkei planen – die lange Dauer der Maßnahme wurde denn auch mit dem orthodoxen Weihnachtsfest am 7. Jänner begründet. Andererseits soll die Verschärfung auch Menschen von Reisen abhalten, die es etwa zu Silvesterfeiern ins benachbarte Ausland zieht. Für Länder mit besonders hoher Inzidenz wie Serbien oder die Türkei besteht allerdings schon jetzt eine Reisewarnung der Stufe sechs.
Neos: “Nicht nachvollziehbar”
Die Regierung begründete die Einreiseverschärfungen damit, dass erhöhtes Reiseaufkommen bereits im Sommer zu einem Anstieg der Infektionen beigetragen habe. Ziel sei nun, die Ausreise vor den Weihnachtsfeiertagen möglichst stark zu beschränken, “damit es beim Zurückkommen nicht wieder zu Neuinfektionen im großen Ausmaß kommt”, sagte der Innenminister.
“Gar nicht nachvollziehbar” sind die Beschränkungen für die Neos. “Das bedeutet nichts anderes als ein Reiseverbot” für Auslandsösterreicher, sagte der pinke Abgeordnete Nikolaus Scherak, der auch auf Lösungen anderer Staaten wie Deutschland verwies. Dort bestehe eine Ausnahmeregelung für den Besuch von engen Verwandten.
Die verschärften Einreisebeschränkungen betreffen nämlich auch alle Auslandsösterreicher, die über die Weihnachtsfeiertage einen Abstecher in ihre Heimat planen. Laut Nehammer wird es aber möglich sein, noch vor Ende der zehntägigen Quarantänezeit wieder aus Österreich auszureisen. Deutschlands Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) begrüßte unterdessen die österreichische Verschärfung.
Viele Anfragen von Auslandsösterreichern
“Für uns ist das natürlich ein Riesenthema”, sagt Irmgard Helperstorfer, Generalsekretärin des Weltbunds der Auslandsösterreicher, zur “Wiener Zeitung”. Die Organisation ist der Dachverband aller Österreicher-Vereinigungen in den verschiedenen Ländern der Welt. Rund 440 solcher Vereinigungen gehören zum Weltbund. Schon bisher habe es in der Corona-Pandemie etliche Anfragen von Auslandsösterreichern gegeben, die sich nach den aktuellen Bestimmungen für die Einreise nach Österreich erkundigt hätten, sagt Helperstorfer. Die Zahl der Anfragen würde nun wohl steigen.
“Wenn man zu Weihnachten nach Österreich kommt und dann automatisch die gesamte Zeit zu Hause verbringen muss, sorgt das natürlich für Unmut”, sagt Helperstorfer. Die mit Abstand meisten Auslandsösterreicher leben in Deutschland – rund 257.000. Danach folgen die Schweiz mit 67.000, Großbritannien mit 33.000 und die USA mit 30.500 österreichischen Staatsbürgern.
Studie: Reisebeschränkungen wirksam
Die Studienlage legt unterdessen durchaus nahe, dass erhöhtes Reiseaufkommen auch zu steigenden Infektionszahlen führt – beziehungsweise umgekehrt: Aus einer Studie des Komplexitätsforschers Peter Klimek zur Effektivität diverser Maßnahmen, die im Fachjournal “Nature” erschien, geht hervor, dass Reisebeschränkungen im Frühling eine der wirksamsten Maßnahmen waren, um die Infektionszahlen zu senken.
Die Erkenntnis aus der ersten Welle kann nicht eins zu eins auf die zweite umgelegt werden. Aber die touristischen Öffnungen in Österreich im Sommer haben das Infektionsgeschehen doch weit stärker angefacht als etwa jene in Deutschland. Dort gab es im August 4,7 Millionen Übernachtungen ausländischer Gäste – in Österreich mit nur einem Zehntel der Einwohner dagegen 11,3 Millionen.
Ein weiteres Beispiel liefert Finnland, das über den Sommer die restriktiven Reisebestimmungen weitgehend aufrechterhielt und die Mobilität auch innerhalb des Landes einschränkte. Finnland hat in Europa eine der niedrigsten Infektionszahlen und bisher noch keine echte zweite Welle des Virus abbekommen.