Im November musste die Alpenrepublik die Maßnahmen gegen Covid-19 verschärfen, die Situation drohte zu eskalieren. Nun ist Lockdown für alle. Kann Deutschland daraus etwas lernen?
Rund drei Wochen vor Deutschland hat Österreich die 2G-Regel in Gastronomie und Freizeit eingeführt, nur Geimpfte und Genesene dürfen fürs Schnitzel ins Wirtshaus. Ob diese Regel die Corona-Pandemie verlangsamen konnte, ist fraglich, denn in den darauf folgenden Tagen mussten weitaus schwerere Maßnahmen getroffen werden: erst der Lockdown für Ungeimpfte, eine Woche später der Lockdown für alle, inklusive Ausgangsbeschränkungen.
Zuvor war dieser von führenden Politikern als Maßnahme ausgeschlossen worden – und kam dann doch. Der Lockdown nur für Ungeimpfte allein hatte nicht zur erhofften Verringerung der Mobilität geführt, meint Peter Klimek, Komplexitätsforscher: “Erst mit den enorm hohen Fallzahlen und dem vergrößerten Risikobewusstsein der Gesellschaft, hat sich das Verhalten geändert“. In der Theorie könne ein Lockdown für Ungeimpfte viel bringen, hänge aber von der praktischen Umsetzung ab.
In ganz Österreich gilt seit gut einer Woche ein dreiwöchiger Lockdown für alle. Er soll nach zehn Tagen bewertet werden.
Inwiefern sind Österreich und Deutschland vergleichbar?
Die Situation in den beiden Ländern sei durchaus vergleichbar, so Klimek. Die Impfquote ist mit 68,5 Prozent in Deutschland und 66,8 Prozent in Österreich ähnlich niedrig, wobei zum Zeitpunkt der Entscheidung die landesweiten Sieben-Tage-Inzidenzen pro 100.000 Einwohner in Österreich mit zeitweise über 1.000 deutlich höher lagen als in Deutschland.
Rund eine Woche nach Beginn des harten Lockdowns gehen die Infektionszahlen nun leicht zurück. Man habe zu spät begonnen, Maßnahmen zur Kontaktreduktion zu ergreifen, und auch die Booster-Impfungen würden jetzt erst richtig Fahrt aufnehmen, erläutert Klimek.
Könnte auch in Deutschland eine Impfpflicht nötig werden?
Im europäischen Vergleich steht die Impfquote beider Länder schlecht da. Länder wie beispielsweise Dänemark oder Portugal haben deutlich mehr Menschen geimpft und auch niedrigere Sieben-Tage-Inzidenzen als die Nachbarn.
Mitte November hat Österreich deshalb, nachdem die Impfquote wochenlang stagnierte, eine drastische Entscheidung getroffen: Als erstes europäisches Land hat die Regierung eine Impfpflicht beschlossen, welche ab Februar 2022 gelten soll. Ab welchem Alter diese greift und welche Ausnahmen es gibt, ist noch nicht abschließend geklärt.
Einen großen Effekt auf die Impfquote gab es bisher nicht, die Zahl der täglichen Erststiche stieg allerdings an, fällt nun jedoch wieder. Die Erkenntnis von Virologin Dorothee von Laer:
Aus diesem Grund erachtet auch sie eine Impfpflicht für Deutschland als nötig. Eine Durchseuchung würde viele Menschenleben kosten.
Kann Deutschland nun aus der österreichischen Situation lernen?
Von Österreich könne Deutschland sich abschauen, dass man schneller reagieren müsste und dass 2G und 2G+ sowie FFP2-Maskenpflicht in Innenräumen für einen flacheren Anstieg der Infektionskurve sorgen könnten. Das habe man laut Klimek in Wien gesehen, wo schon früher schärfere Maßnahmen als bundesweit galten, die notwendige PCR-Test-Infrastruktur aufgebaut wurde und die Infektionskurve bisher flacher verlaufen sei.
Mit einem deutlichen Appell hat Ärztin Jutta Gärtner von der Leopoldina im ZDF für verschärfte Corona-Maßnahmen geworben.
Ein weiteres Learning aus der Situation in Österreich ist laut Prof. Dorothee von Laer, dass erst der Lockdown für ein leichtes Fallen der Infektionszahlen gesorgt habe. Die Regionen Burgenland und Wien, die zum Start des Lockdowns deutlich niedrigere Infektionszahlen als beispielsweise Salzburg hatten, könnten wahrscheinlich früher wieder aufmachen. An diesem Punkt der Entscheidung stehe Deutschland ihrer Meinung nach jetzt: Ein zwei- oder dreiwöchiger Lockdown könne die Kontrolle über die Corona-Situation zurückbringen.
Laura Meyer ist Mitarbeiterin im ZDF-Studio Wien.