Zeit für Veränderung
Die Preise für Öl, Gas, Strom und Treibstoffe steigen und steigen. Die Folge: Besonders die Nachfrage nach alternativen Energielieferanten steigt.
Mit einer Inflationsrate von 9,3 Prozent lag im Juli 2022 die Teuerungsrate auf dem höchsten Stand seit Februar 1975. Haupttreiber der Inflation waren die Treibstoffpreise, die binnen Jahresfrist um 63,3 Prozent zulegten, aber auch Haushaltsenergie wurde mit einem Plus von 34,4 Prozent deutlich teurer. Diese Teuerung ist aber nicht allein auf den Ukrainekrieg zurückzuführen: Bereits im Herbst das Vorjahres haben das starke Wirtschaftswachstum und die steigende Nach frage einen Höhenflug bei den Energiepreisen ausgelöst. So sind beispielsweise die Stromgroßhandelspreise seit Beginn des dritten Quartals 2021 stark gestiegen.
Alternativen gesucht! Die starken Preissteigerungen an den internationalen Energiebörsen sind mittlerweile in Haushalts und Unternehmensbudgets schmerzhaft spürbar. Die Folge: Sowohl Private als auch Unternehmen suchen nach Alternativen, um den Kostendruck zu reduzieren. Energie- und Umweltberater können die Anfragen, um Informationen zu Kostensenkungen, Einsparungsmöglichkeiten und den Umstieg auf erneuerbare Energieträger zu erhalten, kaum noch bewältigen. Denn letzterer hat im Zusammenhang mit den explodierenden Energiepreisen, der Angst vor der Abhängigkeit von Russland und natürlich dem Klimaschutz einen neuen Höhepunkt erreicht.
So sind Photovoltaikanlagen gefragt wie nie. Bis jetzt wurden hierzulande bereits 55.000 PV-Anlagen mit einer Leistung von 869 Megawatt (MW) genehmigt. Insgesamt rechnet das Klimaministerium mit einer Neu-Leistung von 1.600 MW – das ist eine Verdoppelung im Vergleich zum Vorjahr. Dabei war 2021 bereits
ein Rekordjahr: Im Vorjahr wurde bereits der PV-Zubau des Jahres 2020 mehr als verdoppelt, insgesamt wurden 740 Megawatt installiert. Wer jetzt auf die Kraft der Sonne setzen will, braucht Geduld. Denn Materialengpässe führen dazu, dass vor allem Privat personen bis zu ein Jahr auf die Realisierung ihrer PV-Anlage warten müssen. So sind Experten zufolge zwar häufig die Module vorhanden, doch die Wechselrichter fehlen. Die EU hat bereits auf die Lieferprobleme und die Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten reagiert: Sie will mit der “European Solar Initiative” dafür sorgen, dass bis 2025 etwa 20 GW jährliche Produktionskapazität in Europa (wieder) aufgebaut wird. Eigens dazu wurde der “Solar Manufacturing Accelerator” etabliert, um Unternehmen in der PV-Industrie gezielt zu fördern. Nicht immer sind Lieferprobleme bei den Anlagen das Problem, sondern viele Installationsbetriebe haben schlicht nicht das Personal, um den Ansturm bewältigen zu können.
Wartezeiten & Lieferschwierigkeiten.
Warten muss etwa auch Emma Geppert, die ihr Einfamilienhaus aus den 1970er-Jahren klimagerecht sanieren will und die alte Ölheizung ohnehin bis 2025 austauschen muss. “Ich hatte das Projekt Heizungstausch eigentlich für 2024 geplant. Die Energiekrise hat mich aber dazu bewogen, das Projekt auf heuer vorzuziehen”, erzählt Geppert. Eine PV-Anlage sollte für Strom, eine Pelletsheizung für Wärme im Winter und eine Wärmepumpe für warmes Wasser sorgen. Die Realisierung allerdings wird dennoch erst im kommenden Jahr über die Bühne gehen: “Leider war ich zu spät dran, ich muss mit allem bis 2023 warten”, sagt Geppert. Das liegt nicht nur an den Lieferschwierigkeiten der PV-Anlage, auch die gewählte Pelletsheizung ist heuer nicht mehr lieferbar. “Wir können erst im nächsten Jahr wieder installieren”, heißt es dazu beispielsweise beim Haustechnik-Spezialisten Appel. Schließlich kommen auch die (heimischen) Kesselbauer wegen der enormen Nachfrage kaum mit der Fertigung nach. Damit setzt sich auch bei ihnen der Trend des Vorjahres fort: 2021 wurden insgesamt 19.285 Biomasse-Anlagen errichtet, zeigt die aktuelle Biomasse-Heizungserhebung der LK Niederösterreich. Das entspricht einem Zuwachs von rund 40 Prozent. Besonders Pelletsheizungen waren dabei gefragt. Mit 12.247 Anlagen einem Plus von mehr als 50 Prozent – waren hier die Verkaufszahlen so hoch wie noch nie. Auch Schweden-, Kamin- und Kachelöfen sind heiß begehrt, Letztere besonders aus Angst vor einem möglichen Blackout. Doch auch da gilt: Wer das Feuer noch heuer knistern hören will, braucht Glück. Manche Hersteller können heuer gar nicht mehr liefern und auch die rund 600 heimischen Hafner, die im Durchschnitt eine Woche an einem Kachelofen bauen, sind mehr als gut gebucht.
Energie
Mobilität verändert sich.
Die Energiekrise zeigt sich nicht nur darin, dass viele Menschen den Umstieg auf erneuerbare Energiequellen vorantreiben, sondern auch in der Mobilität. Die ÖBB, die absolute Zahlen nur für das Gesamtjahr nennt, hat in den vergangenen Monaten einen deutlichen Anstieg der Passagierzahlen verzeichnet. So wurden seit April erstmals seit Corona mehr Fahrgäste gezählt, als im selben Zeitraum 2019 – dem bisher stärksten ÖBB-Reisejahr. Sieben von zehn Fahrgästen mit Jahreskarte fahren nun häufiger mit der Bahn als früher, zeigt eine Umfrage der Mobilitätsorganisation “VCÖ – Mobilität mit Zukunft”. “Das Comeback der Fahrgäste in die Bahnen ist sehr erfreulich. Denn die Klimaziele kann Österreich nur erreichen, wenn künftig mehr mit den Öffis und weniger mit dem Auto gefahren wird”, so VCÖ-Experte Michael Schwendinger dazu. Und auch der Fahrradboom – laut Verband der Sportartikelerzeuger und Sportausrüster Österreichs (VSSÖ) wurden schon 2021 etwas mehr als 490.000 Fahrräder verkauft und 1,027 Mrd. Euro umgesetzt – hält an. So wird laut VCÖ etwa in Wien immer mehr mit dem Fahrrad gefahren. Bei den 13 Radverkehrs zählstellen waren im ersten Halbjahr in Summe 4,48 Millionen Radfahrer unterwegs. Das sind immerhin um 90.000 mehr als im ersten Halbjahr 2021, verglichen mit dem ersten Halbjahr 2019 liegt das Plus gar bei 750.000.
Betriebe stellen um.
Auch viele heimische Unternehmen, die bereits seit einem Jahr auf die erhöhten Gaspreise reagieren und entsprechende Einsparungsmaßnahmen gesetzt haben, legen bei ihrer Energie- und Nachhaltigkeitsstrategie an Tempo zu. Besonders setzen sie dabei auf Maßnahmen zur Wärmedämmung und zur Temperaturreduktion, geht aus einer Umfrage sowie einer Studie des Complexity Science Hub (CSH) im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) hervor. So hat etwa jeder Fünfte schon auf Alternativenergien umgestellt, 7 Prozent haben darüber hinaus ihre Produktionsanlagen auf alternative Energien umgerüstet. 376 Unternehmen, die für 58 Prozent des Gasverbrauches stehen, planen weitere Maßnahmen zum Abbau der Erdgasabhängigkeit: Beinahe zwei Drittel von ihnen wollen das Heizsystem, 23 Prozent die Produktionsanlagen auf alternative Energieträger umstellen. Unter dem Namen “H2Pioneer” errichten der Halbleiterkonzern Infineon sowie der Industriegasehersteller Linde in Villach eine Demonstrationsanlage zur Erzeugungvon Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen, die in Kürze in Betrieb gehen soll. Pro Tag soll diese dann bis zu 800 kg Wasserstoff aus erneuerbaren Energien als Prozessgas für die Halbleiterindustrie liefern. Der Tiroler Lebensmittelhändler Mpreis setzt bereits auf grünes Wasser als Energiequelle für Produktion und LKW-Transport. In der Backstube wird
dabei die Abwärme der Wasserstofferzeugung (Elektrolyse) verwendet und macht so einen Wirkungsgrad von über 90 Prozent möglich.
Gemeinden auf Sparkurs.
Energie einsparen wollen auch viele Gemeinden: In Wien haben dazu Stadtregierung und Wirtschaftskammer vereinbart, auf die Weihnachtsbeleuchtung am Ring zur Gänze zu verzichten. Auch die Beleuchtung am Christkindlmarkt am Rathausplatz wird erst bei Dunkelheit und nicht wie bisher bei Dämmerung eingeschaltet. In Linz, Wiener Neustadt, Salzburg und St. Pölten etwa bleiben Wahrzeichen in der Nacht dunkel. Zur Diskussion steht darüber hinaus, städtische Gebäude im Winter weniger zu beheizen. Einsparungen sind dadurch sehr wohl gegeben: Wird die Heizung um nur ein Grad gesenkt, so können bis zu sechs Prozent Heizenergie eingespart werden. Niederösterreichs Umweltlandesrat LHStellvertreter Dr. Stephan Pernkopf will aber noch andere in die Pflicht nehmen: “Am wenigsten sehe ich ein, dass zum Beispiel Einkaufszentren und ihre Parkplätze und Schaufenster hell erleuchtet werden müssen. Hier wird oft unnötig Energie vergeudet, die wir an anderer Stelle noch brauchen. Auch hier wäre eine Licht-Sperrstunde in Krisenzeiten zu überlegen.” Weitere Infos zum Energiesparen: missionll.at